Gefaehrtin Der Daemonen
Ich hätte dich … ignoriert.«
»Und jetzt?«
»Jetzt bist du ein Teil des Spiels. Jetzt, da ich eine Gnadenfrist von meinen Herren bekommen habe, werde ich den Augenblick nutzen, um alte Geschichten zu begleichen.«
»Nein«, erwiderte ich eisig. »Du wirst dich von ihnen fernhalten.«
»Oder was?« Das Mädchen betrachtete mich mit gleichgültiger, gebieterischer Verachtung. »Du bist nur eine … und allein. Die Bannwächter sind tot, Jägerin. Und du wirst das Blut spenden, das ich als Tinte benutze, um Das Ende auf meine Haut zu schreiben.«
Ich ging zu dem kleinen Mädchen, diesem Dämon, der mein Kindergesicht aufgesetzt hatte, und beugte mich zu ihm herunter. Durch meine Adern strömte Eis. »Ich habe noch nie gern Zeit verschwendet.«
»Nichts ist jemals verschwendet.« Der Dämon packte meine Kehle. Er hatte einen kräftigen Griff. Normales menschliches Fleisch hätte er vielleicht pulverisiert, es zu Staub zermalmt, aber ich stand einfach nur da, während er sich anstrengte, und zog meine Handschuhe aus.
Dann packte ich sein Handgelenk. Aaz grub sich in seine Haut. Ich sah zu, wie mein eigenes Gesicht, mein achtjähriges dämonisches Gesicht, vor Überraschung erschlaffte. Ich wappnete mich und hielt fest, kniete mich hin, als die Jungs sich daranmachten, sein Leben einzusaugen, und Aaz als Kanal benutzten. Der Griff des Dämons um meine Kehle lockerte sich, sein Mund verzerrte sich vor Qual. Dann schloss er die Augen.
»Danke, dass du mich nicht ignoriert hast«, flüsterte ich.
Das Kind knurrte, verzerrte sein Gesicht und verlor an Festigkeit. Dann, mit einem Knacken, als würden Knochen brechen, löste es sich vollkommen auf … in Rauch.
Aaz konnte ihn nicht festhalten. Ebenso wenig wie ich. Innerhalb von Sekunden war der Dämon verschwunden, tauchte jedoch ebenso rasch wieder auf, jedoch außerhalb unserer Reichweite. Ein Schatten von mir, mit verblassten, ausgewaschenen Farben, als würde er auf der anderen Seite eines Schwarz-Weiß-Bildschirms stehen.
»Das ist meine Welt!«, stieß ich heiser hervor.
»Zuerst war es meine«, hauchte er. »Und es wird wieder die meine sein. Du kannst es nicht aufhalten. Der Schleier fällt, Jägerin. Und wenn die anderen erfahren, was ich herausgefunden habe …«
Er unterbrach sich, ein Schauer lief über seine Gestalt. Das Gesicht, das er trug, mein Gesicht, erzitterte und verwandelte sich für kurze Zeit in etwas Älteres und weit Ausdrucksvolleres. Oturus Mal brannte, pulsierte im Rhythmus meines Herzschlags.
Ich hätte es gern berührt, grub die Finger stattdessen jedoch in meine Schenkel.
»Geh nach Hause, Dämon«, riet ich. »Geh ins Gefängnis zurück. Sonst werde ich dich töten.«
Das Gesicht des Mädchens verfestigte sich wieder. Es sah mich mit glitzernden, unergründlichen Augen an, uralt und furchteinflößend. »Das ist nicht mein Zuhause, Jägerin. Und ich bin kein Dämon.«
Ich stürzte mich auf das Mädchen, und es löste sich erneut auf. Nur kam es diesmal nicht zurück.
Ich kniete mich hin und starrte auf die Stelle, wo es gestanden hatte. Die Jungs glitten rastlos über meine Haut. Ich brauchte zehn Minuten, bevor ich die Kraft fand aufzustehen. Zehn Minuten, bevor sich meine Gedanken auch nur annähernd beruhigt hatten.
Meine Beine waren weich, mein Herz hämmerte.
Ich hatte Angst. Wirklich Angst.
Und nicht nur um mich.
9
M it zwölf Jahren habe ich zugesehen, wie meine Mutter einen Mann aus einem brennenden Wagen zog. Ein schrecklicher Unfall auf einem Highway in Oklahoma. Es waren nicht viele Autos darin verwickelt. Ein Sattelschlepper wechselte die Spur und stieß mit einer Limousine zusammen. Dann aber wurde es hässlich. Es brannte, der Fahrer war bewusstlos.
Meine Mutter zögerte keine Sekunde. Sie verschwand in dem Feuer, und als sie zurückkam, brannten ihre Klamotten und ihre Haare. Ein Mann lag über ihren Schultern; er war verletzt, lebte aber noch. Meine Mutter war vollkommen unversehrt geblieben. Sie hatte nur eine neue Frisur. Dann legte sie den Mann auf den Boden, stieg in unseren Kombi, gab Gas und wendete mit quietschenden Reifen über dem Mittelstreifen. Sie brachte uns da weg.
Ich habe hinterher keinen Ton davon im Radio gehört, nicht einmal in den Nachrichten. Heutzutage dagegen hätte uns wahrscheinlich ein Handyvideo auf YouTube das Leben zur Hölle gemacht. Was angesichts der Alternative keine Rolle gespielt hätte.
»Es gibt Ausnahmen von der Regel«, sagte meine Mutter. »Es gibt immer
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