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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Größe von Fußbällen zierten. Ihre welken Lippen schmückte ein hastig aufgetragener Klecks roten Lippenstifts. Sie wäre fast an mir vorbei in die Kapelle gelaufen, blieb jedoch stehen und starrte mich durchdringend an. »Jemand begeht eine Sünde.«
    »Sünde?«
    »Sünde«, zischte Mary ungeduldig und deutete hinter sich. »Mord.«
    Ich blinzelte einmal, während mein Hirn seinen Betrieb kurz einstellte. Dann rannte ich los.
    Ich hatte keine Ahnung, wohin ich laufen musste, aber ich lauschte und hörte einen Schrei. Das kam von vorne, vom Ende
des Flurs. Glas zerbarst, Leute keuchten. Es schien aus dem Foyer zu kommen. Ich bog um eine Ecke des Flurs, fegte an zerlumpten Frauen vorbei, die sich umdrehten und Kinder hinter sich herzerrten.
    Am Ende des Flurs, vor dem Schreibtisch der Freiwilligen, sah ich einen großen Burschen. Er trug eine weite graue Hose, und sein massiger Körper wirkte in dem riesigen, braunen Mantel, in dem er wie ein Bär aussah, winzig. Sein schmutziger Bart war verfilzt und feucht, seine behaarten Hände ähnelten Baseballhandschuhen.
    Außerdem war er ein Zombie, einer der ständigen Bewohner, einer, der von Grant bekehrt worden war.
    Vor ihm auf dem Boden lag Byron.
    Mein Fokus verengte sich zu einer Linie, so scharf und schmerzhaft wie eine Messerklinge. Der Junge war bei Bewusstsein, aber übel zugerichtet. Er konnte nicht mehr stehen. Entsetzt sah ich mit an, wie der Mann ihm in den Rücken trat. Verhindern konnte ich es nicht, dafür war ich zu weit entfernt.
    Andere versuchten einzugreifen, doch der Zombie war zu groß und vollkommen außer sich. Rex befand sich mitten im Gewühl und versuchte, sich zwischen den Zombie und den Jungen zu schieben. Sein Bein war verletzt und blutete. Der Boden war von Glas übersät. Wut glomm in Rex’ Augen, Wut und Hunger. Er nährte sich, sog Schmerz und Furcht ein, es war die reine Energie. Ich konnte fast den Strohhalm sehen.
    Er sah mich, da veränderte sich seine Miene. Er schrie den anderen Zombie erneut an, aber diesmal war es eine Warnung.
    Viel zu spät. Rex warf sich zur Seite, als ich auf den Zombie prallte. Ich traf ihn mit solcher Wucht, dass ich ihn von den Füßen holte und gegen die Wand schleuderte. Es krachte und rumpelte; Putz rieselte mir auf den Kopf, aber der Zombie kämpfte weiter, wie wahnsinnig. Seine Augen traten aus den
Höhlen. Noch nie hatte ich einen von ihnen so blind vor Wut erlebt.
    Er stand auf. Ich erhob mich ebenfalls und biss die Zähne zusammen, als er meinen Arm packte und mich heftig schüttelte. Er hörte nicht auf. Dann schrie er, und die Jungs bewegten sich rastlos im Schlaf, träumten von Gewalt. Träumten den Geruch des Zombies.
    Ich packte ihn zwischen den Beinen und drückte mit aller Kraft zu. Dämonen-Parasiten empfinden Schmerz, wenn sie menschliche Wirte befallen haben. Der Mann brüllte. Ich drückte fester zu. Seine weite Hose machte es mir einfach. Er ließ meinen Arm los und wollte mich schlagen; ich wich aus, hielt ihn aber fest, was ihm noch größere Schmerzen bereitete.
    Er fiel auf die Knie. Ich riss so fest an ihm, dass er nach hinten kippte und wie ein Panzer aufschlug. Der Boden erbebte. Bevor er sich zusammenrollen konnte, stemmte ich meinen Fuß auf seinen Hals, und da er mich nicht ansah, gab ich ihm eine Ohrfeige und packte seinen Bart. Er zitterte, sein Gesicht war gerötet, er atmete rasselnd.
    Aber jetzt war er wieder bei Besinnung, vollkommen klar. Er starrte mich an, als wäre ihm bewusst, dass er sterben würde.
    Ich beherrschte mich, mit Mühe. »Rex, schaff die Leute hier weg.«
    »Nein«, erwiderte Rex. »Jägerin.«
    Mein Kopf ruckte herum, und ich sah ihm in die Augen. »Mach es, oder du bist der Nächste.«
    »Ich würde auf sie hören«, riet ihm Grant. Ich warf einen Blick über meine Schulter. Er war hinter uns getreten, lautlos wie ein Wolf. Die Knöchel der Hand, mit der er den Gehstock hielt, waren weiß. In der anderen hatte er die Flöte.
    Der Zombie unter mir bockte. Ich fiel auf die Knie, rammte die Faust neben ihm auf den Boden und zerschmetterte einige
Fliesen. »Denk nicht mal dran, mich zu verarschen! Wenn du auch nur das Geringste versuchst, wenn du auch nur mit dem Gedanken spielst aufzustehen, dann wirst du es bitter bereuen und mich anbetteln, dich umzulegen!«
    Der Zombie erstarrte, es herrschte Totenstille. Vor meinen Augen tanzten dunkle Flecken. Rex sagte etwas, ich hörte das Scharren von Füßen, dann verhaltenes Gemurmel. Ich sah zur Seite.

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