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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Grant. Nicht einmal den Jungs, obwohl sie meine Gedanken vermutlich lesen konnten. Einige Gedanken, diejenigen, die blieben, wurden besser wie Geister behandelt.
    Einige Dinge sollten unter der Haut bleiben.
     
    Rex rannte weg. Ich verfolgte ihn, aber er war schnell, geschmeidig, und ich verlor ihn, als er draußen war. Er rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her, als würden seine Absätze brennen. Und wäre ich nicht absolut sicher gewesen, dass er Grant brauchte, wäre ich vielleicht auf die Idee gekommen, dass er die Stadt verließ und nie mehr zurückkehrte.
    So aber verschwendete ich keine Zeit damit, ihn zu suchen. Ich hatte Alternativen. Trotzdem ging ich zuerst in das Loft zurück. Ich brauchte ein paar Sachen.
    Oben war es ruhig. Grant war bereits verschwunden. Ich warf einen Blick in das Gästezimmer und dachte an Byron, an die Versprechen, die ich ihm gegeben hatte. Und wie ich dabei gescheitert
war, auch nur einen Jungen in Sicherheit zu bringen, nur einen einzigen Jungen. Und draußen wartete eine ganze Welt, die beschützt werden musste.
    Ich war so was von am Ende.
    Im Wohnzimmer betrachtete ich die großen Fenster, die großen, gemütlichen Sofas, die Gitarren, das Piano, die Triumph, Grants Motorrad, das liebevoll poliert glänzte - rot. Masken und Fotos hingen vor den Ziegelwänden, und auf kleinen Tischen waren Steine und andere Dinge verteilt. Aus den Regalen lächelten mir Bücher zu, so viele Bücher. Die meisten handelten von Religionen: dem Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus. Selbst Exemplare über den Volksglauben der Schamanen fanden sich, neben Mythen und Legenden. Sowie archaische Texte, einige auf Latein, Italienisch oder Französisch.
    Die Truhe meiner Mutter stand an einer Wand unter einem tibetischen Wandteppich, der bis auf einen langen Tisch herunterhing, an dem Grant seine Flöten schnitzte. Zwischen seinen Werkzeugen lagen verschiedene Hölzer, Bambus, Walnuss- und Kirschholz.
    In der Sonne war es warm, und ich konnte durch das Fenster das funkelnde Metall und Glas der Geschäftsstadt sehen.
    Ich kniete mich vor die Truhe, gab die Kombination in das Zahlenschloss ein und öffnete es. Die Tagebücher lagen ganz oben. Es waren in Leder gebundene Bücher, Loseblattsammlungen, Aktenordner mit Zeitungsausschnitten. Eine Bibel. Eine alte Stoffschachtel mit Fotos lag unter einem heiß geliebten Stoffhasen, der von Flicken übersät war. Darunter lagen eine abgeschabte Lederjacke und Lederhandschuhe. Schwarz, sehr weich und klein, für die Hände meiner Mutter angefertigt. Als ich sie ansah, wurde mir schwindlig.
    Auf dem Boden der Truhe, unter einem doppelten Boden, befanden sich die Waffen. Zwei Pistolen und die alte Pumpgun,
darunter Schachteln mit Munition. Ich bemühte mich, die Waffen zu ignorieren, erinnerte mich aber daran, wie meine Mutter sie gereinigt hatte, während sie im Schneidersitz auf dem Hotelbett hockte und im Fernsehen die Nachrichten liefen oder Bugs Bunny und Elmer Fudd.
    An ihre Leiche konnte ich mich auch sehr gut erinnern. Auf dem Boden. Überall Blut. Es war mein einundzwanzigster Geburtstag, die Kerzen auf dem Kuchen brannten noch. Die Jungs weinten. Wir alle waren Waisen geworden.
    Ich holte tief Luft und griff nach dem Bündel aus schwarzem Samt, legte es auf meinen Schoß, dann auf den Boden, und hockte mich auf die Fersen, als ich das dicke, schwere Tuch aufrollte.
    Das Bündel enthielt die Messer meiner Mutter. Ich hatte sie seit ihrem Tod nicht mehr angesehen, hatte nie daran gedacht, sie zu benutzen. Ich hatte mir das sogar geschworen.
    Es waren einfache, aber edle Messer. Handgearbeitet. Sie hatten keinen Griff, sondern bestanden nur aus mehrfach gefaltetem Stahl. Ihre beiden Schneiden waren rasiermesserscharf, die beiden spitzen Enden gezackt. Es war schon gefährlich, sie auch nur zu berühren. Man brauchte dicke Haut oder Handschuhe mit eingearbeiteten Stahlnetzen. Meine Mutter hatte sie von ihrer Mutter geerbt, und meine Großmutter wiederum von ihrer. Sie waren alt, aber noch sehr wirkungsvoll. Und sie steckten voller Geschichten.
    Ich zog meine Handschuhe aus und den Rollkragenpullover über den Kopf. Jetzt war ich von der Hüfte aufwärts nackt, aber jeder Zentimeter meiner Haut war von den Jungs bedeckt. Ich nahm das erste Messer in die Hand. Der Stahl verschmolz mit den Schuppen und Stacheln auf der Handfläche und dem Handgelenk, glänzte wie das Silber, das in meine Haut eingebettet war. Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter

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