Gefaehrtin Der Daemonen
fürchte sehr, dass du dieser Grat bist.«
Sie schloss die Tür, und der Sedan fädelte sich in den Verkehr ein. Ich blieb auf der Kopfsteinpflasterstraße stehen und sah ihr nach. Dabei zog ich die Steinscheibe aus meiner Gesäßtasche.
Auf dem schwarzen Leder des Handschuhs, der meiner Mutter gehört hatte, glühten im Sonnenlicht die eingravierten Rillen wie eine Einlegearbeit aus zermahlenen Perlen, gleich silbrig leuchtenden Adern, die auf der Oberfläche schimmerten, als gleite Nordlicht über den Stein.
Labyrinth , hatte Sarai vor ihrem Tod geflüstert.
Was für Rätsel. Ich steckte wirklich bis zum Hals in Schwierigkeiten.
Dann hörte ich das Dröhnen eines großen Motors. Und drehte mich um. Die Sonne blendete mich. Hände legten sich auf meinen Rücken.
Jemand stieß mich.
Und ein Bus traf mich.
12
I ch war noch nie von etwas Größerem als einem Strandbuggy getroffen worden, und das unter mildernden Umständen, die mit einem entlaufenen Esel, einem einbeinigen Zombie mit einer Pumpgun und dem unpassenden Auftauchen eines Sandsturms zu tun hatten. All dies trug zu meiner unverhofften und intimen Begegnung mit den Rädern eines sich sehr schnell bewegenden Fahrzeugs bei.
Ein Bus war aber unendlich viel größer.
Ich stürzte schwer zu Boden, fühlte, wie sich die Jungs in dem Sekundenbruchteil vor dem Aufprall bewegten und ihre schlafenden Körper über mein Gesicht schoben. Meine Nase und mein Kinn krachten mit so viel Wucht auf die Pflastersteine, dass es mir alle Knochen hätte brechen müssen. Aber ich spürte keinen Schmerz.
Ich muss die Steinscheibe fallen gelassen haben. Ich sah sie vor mir, und meine Hand schloss sich darüber, bevor eine Stoßstange meine Schulter und meinen Kopf traf. Ich flog durch die Luft, wirbelte um meine Achse. Räder überrollten meine Beine, und die Sonne verschwand unter einem stählernen Fahrgestell, einem langen, dunklen Fahrgestell, das mich mit seinen Abgasen fast erstickte.
Ein mieser Tag. Wirklich ein schrecklicher Tag.
Alles stoppte. Mein Körper. Der Bus. Ich hörte nur noch die Maschine und mein Blut, das mir in den Ohren rauschte. Meine Hand drückte die Steinscheibe an meine Brust, meine Finger gruben sich in die Rillen, und einen Moment lang überkam mich ein merkwürdiges Gefühl, als würde ich verblassen. Ich sah meine Mutter, und hinter ihr all die anderen Frauen, die allesamt mein Gesicht trugen. Alle hatten Angst.
Sie fürchteten sich vor sich selbst.
Die Vision verging zwar, wurde aber von einer anderen ersetzt. Ich sah den Dämon in seinem Umhang, Oturu, und vor ihm eine Frau mit meinem Gesicht. Sie trug Tattoos, sonst nichts. Sie standen zusammen, lehnten sich aneinander, mit so viel Intimität, Lockerheit, dass klar wurde: Sie hatten das schon oft getan, und über eine lange Zeit. Hinter ihnen sah ich einen violett-roten Himmel mit zwei Monden. Große Monde. Monde, die ganz anders aussahen als der einsame Mond, den ich so gern betrachtete, wenn die Sonne untergegangen war.
Ich riss mich aus der Vision. Die Welt strömte wieder ein. Krampfhaft holte ich Luft. Ich lag immer noch unter dem Bus und starrte auf den Motor, den Stein in meiner Hand.
Aber einen Moment lang konnte ich nur an diese Vision denken. Oturu, eine meiner Ahnen, nicht ich, ich nicht! , die unter einem fremden Himmel standen.
Geräusche drangen an mein Ohr. Eine Frau kreischte so laut, dass man hätte meinen können, sie läge unter dem Bus. Meine Hände zitterten. Ich schob die Scheibe in meine Tasche zurück, atmete einmal tief durch und rollte mich vorsichtig auf den Bauch. Männer schoben sich unter den Bus, um mir zu helfen. Ich ließ es zu. Ignorierte, wie sie mich anstarrten, als sie mein Gesicht sahen. Erst nach einer Weile begriff ich, warum sie mich so entsetzt anblickten.
Die Jungs. Die Jungs hatten mein Gesicht bedeckt und waren nicht zurückgeglitten. Mein Gesicht war von Tätowierungen überzogen.
Ich holte noch einmal tief Luft. Meine Retter sagten etwas, sie deuteten an, mein Rückgrat könnte gebrochen sein. Meine Beine könnten zerquetscht sein. Ich könnte einen Hirnschaden haben. Jedenfalls sollte ich mich nicht bewegen.
Von wegen! Ich kroch weiter. Leute zogen mich unter dem Bus heraus. Ich hörte das Keuchen der Schaulustigen, als sie mich sahen. Ob sie über mein wundersames Überleben staunten oder meines Gesichtes wegen, das wusste ich nicht. Das Blitzlicht einer Kamera flammte auf. Handys wurden in meine Richtung gehalten. Ich war ein
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