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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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eingraviert, die merkwürdigen Rosen glichen: elegant, vielleicht gefährlich. Als mein Finger zuckte, spürte ich eine Unterströmung, ein elektrisches Brennen zwischen Haut und Ring.
    Das Schwert.
    Ich wusste, dass Ring und Schwert identisch waren. Es wurde mir augenblicklich klar. Ich wusste nur nicht, wie das geschehen konnte. Aber ich sagte nichts. Es war, als würde ich einen Vertrauensbruch begehen, wenn ich dieses Wissen laut aussprach. Es war kein Geheimnis, aber auch nichts, was man herumerzählte.
    Vielleicht war das verrückt, aber ich hatte so ein Gefühl zwischen Hand und Ring, als hätte er auf mich gewartet. Geduldig. In der Dunkelheit. Ich hatte Angst, es zu entweihen.
    Jack starrte immer noch hin. Ich räusperte mich. »Wie geht es den anderen?«
    »Gut«, antwortete er knapp. »Du wirst sie bald sehen.«
    Ich wurde müde, meine Lider wurden schwer. Ich sah an Jack
vorbei, suchte Zee, sah aber nur staubige Plastikvorhänge, einen billigen Plastiktisch, auf dem sich Zeitungen stapelten, und einen goldfarbenen Flickenteppich, der wie ein Kakerlakenhotel aussah. Jack griff neben das Bett und hob eine Wasserflasche hoch.
    »Entschuldige die Unterbringung«, sagte er, während er mir die Flasche an den Mund hielt. »Ich musste mich damit begnügen, in die Wohnung eines Fremden einzubrechen.«
    »Ich hätte dich nie für einen Kriminellen gehalten«, antwortete ich schläfrig.
    »Man lernt Dinge, wenn man alt wird«, erwiderte Jack liebenswürdig.
    Das Wasser schmeckte gut, aber nicht so süß wie das, was ich im Labyrinth getrunken hatte. Ich schloss die Augen, brauchte die Dunkelheit. Ich vermisste es, nichts mehr sehen zu können. Ich dachte erneut über Zee nach, doch es schien zu schwierig, nach ihm zu fragen. Mein Gehirn hörte auf zu arbeiten.
    Ich schlief ein.
    Ich sank auf Pfade aus Stein und Nacht herab, jagte Träume an den Wänden des Labyrinths. Ich träumte, ich hielte das Schwert. Ich träumte, ich wäre blind und müsste auf meiner Reise innehalten. Hatte das Schwert im Schoß, die flache Klinge auf meine Schenkel gedrückt. Wiegte mich, drückte eine Faust gegen meine Kehle, um eine Trauer zu ersticken, die ich nicht benennen konnte. Ich träumte, wie da gerade etwas lautlos über mein Herz glitt. Die Dunkelheit wisperte.
    Monster lauerten in der Tiefe. Monster lauerten auch im Blut.
    Ich träumte meinen Weg in einen Wald, wand mich blind durch ein Gehölz. Die Stämme fühlten sich unter meinen tastenden Fingern glatt an. Ein Geruch von Schnee und Eis stieg
mir in die Nase. Mein Fuß stieß gegen etwas Großes, Weiches. Ich stürzte, verhakte mein Bein, das Schwert noch in der Hand.
    Mein Bein drückte gegen warmes, weiches Fell, eine schlanke Flanke. Rippen, die sich dehnten und zusammenzogen. Meine Finger berührten eine raue Mähne, in die Blätter und kleine, runde Steine eingeflochten waren.
    »Sei gegrüßt«, flüsterte eine bekannte Stimme. »Sei noch einmal gegrüßt, Jägerin.«
    Ich erstarrte, atemlos. »Lass dir Zeit«, sagte die Stimme. »Ich weiß, wie es ist, sich in der Dunkelheit zu verirren.«
    Also saß ich da und träumte, meine Hand in die lange Mähne vergraben. Nach einer Weile rutschte ich näher. Eine breite Nase streifte meinen Arm, die Spitze von etwas Hartem und Kaltem drückte gegen meine Stirn. Ich berührte sie. Es war ein Horn, lang und zu einer Spirale gebogen.
    »Kennst du mich?« Die Stimme klang so ruhig wie der Winter.
    »Ja, Sarai.« Mein Herz hämmerte. »Du bist das Einhorn.«
    Sie schwieg, bis sie schließlich doch antwortete. »Es tut gut, diesen Namen zu hören.«
    »Gut«, wiederholte ich. »Du bist gestorben. Also träume ich. Oder ich bin verrückt.«
    »Verrückte«, antwortete Sarai, »führen allerdings keine höflichen Gespräche mit Einhörnern.«
    »Vielleicht nicht in deiner Welt. Wo auch immer sie sein mag.«
    »Meine Welt …« Ihre Stimme verklang nachdenklich. »Meine Rasse kennt viele Welten. Wir sind … Reisende auf ihnen. Wanderer. Das Labyrinth ist die Kreuzung, der alte Baum mit den Zweigen, die weit bis in die Sterne ragen. Vom Labyrinth aus vermagst du jede Welt zu sehen, du vermagst durch die Träume der
Welten zu wandern und auf seltene Inseln zu stoßen, die durch die Dunkelheit treiben.«
    »Jack hat mir etwas davon erklärt«, verriet ich ihr. »Allerdings nichts über Einhörner. Andererseits ist das nicht dein Körper, stimmt’s?«
    »Was du fühlst, ist nur Fleisch«, antwortete sie. »Und im Labyrinth kann meine

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