Gefaehrtin Der Daemonen
tatsächlich helfen kann. Ich habe es einem Freund erzählt, einem sehr guten Freund, einem Priesterkollegen.«
»Er hat dich verpfiffen.« »Sozusagen. Erst hat er mir nicht geglaubt. Aber ich war naiv und dumm, habe ihn so lange bearbeitet, bis er es mir dann schließlich doch abgenommen hat. Nur sah er darin keine Gabe, sondern war davon überzeugt, ich wäre vom Teufel besessen, von … dunklen Mächten. Es war verrückt, Maxine. Ich kam mir wie in der Inquisition vor. Es war vollkommen absurd. Dabei hatte ich gar nichts Schlechtes getan, sondern nur Menschen geholfen.«
»Haben Sie dir wehgetan?«
Grant biss die Zähne zusammen. »Sie wollten einen Exorzismus an mir vollziehen, mir die Musik austreiben. Sie behaupteten, ich würde den Menschen ihren freien Willen nehmen. Vielleicht stimmte das ja auch, und vielleicht tue ich genau das auch jetzt noch. Aber sie haben es als Teufelswerk bezeichnet und sogar jemanden vom Vatikan geschickt, um mich zu läutern.«
Ich lächelte schwach. »Und? Hatte er Erfolg?«
Grant lehnte sich an mich. »Kann man nicht sagen. Ich bin geflüchtet, bevor er auftauchte. Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens, aber ich musste gehen.«
»Konntest du zu deiner Familie?«
Grant schüttelte den Kopf und nahm etwas Eis auf den Löffel. Dann reichte er ihn mir. Ich aß das Eis. »Ich habe nicht mehr viel Familie, Maxine. Nachdem ich die Kirche verlassen hatte, bin ich nach Europa gegangen und dann um die Welt gereist. Italien, Israel, Indien, Nepal, China. Ich habe sogar einige Zeit bei einem Schamanen der Navajos gelebt. Überall habe ich versucht, mehr über das Leben zu lernen, und über die verschiedenen Arten, wie Menschen an höhere Mächte glauben. Als ich mich schließlich hier in Seattle niederließ, hatte ich genug Selbstvertrauen gesammelt. Mir war klar, dass es allein meine Entscheidung wäre, gut oder schlecht zu sein. Dass ich bestimme, ob ich etwas bewundere oder vernichte. Und ich habe mich für die Seite des Lichts entschieden.«
»Und dazu gehört es, Dämonen zu verändern.«
»Ich wusste ja zunächst nicht, dass es welche waren. Trotz meiner Berufung habe ich die düstere Seite der Religion immer angezweifelt. Ich wollte nicht an das wirklich Böse glauben. Ich dachte, es wäre nur ein … Vorwand, der einem erlaubt, keine Verantwortung für seine Taten übernehmen zu müssen. Du kennst das ja: Ich war vom Teufel besessen und der ganze Unsinn.«
»Aber du musst doch schon vor dem heutigen Abend etwas geahnt haben. Du hast es so gelassen aufgenommen, als du sahst, wie die Jungs sich von meiner Haut geschält haben. Viel zu gelassen.«
Grant zögerte. »Bevor ich mein Amt aufgegeben habe, hatte ich jemanden getroffen, dem ich zuvor einmal geholfen hatte. Ich sah, dass sich bei ihm etwas verändert hatte. Eine seiner beiden Auren war dunkler als die andere. Als stünde sie kurz davor umzuschlagen. Als ich versuchte, sie zu heilen, ist der zweite Schatten … geflüchtet.«
»Geflüchtet?«
»Er hat den Körper verlassen und ist verschwunden. Danach hatte der Mensch nur noch eine Aura.«
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Grants Eisbecher war fast leer, aber er kratzte mit dem Löffel in dem Plastikbecher herum. Ich schob ihm meinen vollen Eisbecher hinüber. Er hob eine Braue, aber ich bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass er ihn essen solle. Ich hatte jetzt keine Lust auf Eis. Grant steckte den Löffel in den Becher. Ich wartete, beobachtete ihn nur.
»Glaubst du wirklich, dass du Dämonen verändern kannst?«, fragte ich ihn dann leise.
»Ich möchte es gern glauben.«
»Bezeichnest du es immer noch als ihre freie Willensentscheidung?«
»Ich weiß nicht.« Er sah mich müde an. »Spielt das denn überhaupt eine Rolle, wenn sie tatsächlich so schlecht sind, wie du sie beschreibst?«
Ja , versicherte ich mir. Nicht etwa, weil ich um die Rechte der Dämonen fürchtete. Sondern weil ich Angst um mich hatte. Wenn sich Dämonen verändern konnten, wenn sie freiwillig oder auch gezwungenermaßen aufhörten, Menschen Leid anzutun, was war dann ich? War ich dann nicht eine richtige Killerin?
Ich schloss die Augen. Grant sagte meinen Namen. Als ich nicht antwortete, legte er seinen Arm um meine Schultern und zog mich an sich. Es kam mir vollkommen natürlich vor, meine Hand auf seine Brust zu legen. Es fühlte sich gut an - sicher. Als er mit den Lippen durch meine Haare streifte, seufzte ich, während es mich heiß
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