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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Herz tat weh.
    Ich betrachtete mich nicht im Spiegel. Ich duschte. Es fühlte sich gut an, und ich versuchte, nicht zu angestrengt nachzudenken. Oder auszurasten. Aber so viel Glück hatte ich nicht.
    Ich weinte. Ich weinte um meinetwillen, um meine Mutter. Um Badelt und Byron. Nur wusste ich nicht, warum. Ich hatte Menschen sterben sehen. Ich hatte getötet. Doch im Augenblick hatte ich das Gefühl, als müsste ich erneut den Tod meiner Mutter bewältigen. Und das war mehr, als ich ertragen konnte. Selbst der Gedanke an Jack Meddle konnte mich nicht ablenken. Es war nur ein weiterer schrecklicher Schmerz.
    Ich schaltete mein Gehirn aus. Und blieb lange unter dem heißen Wasser stehen. In dem Dampf waren die Wände nicht mehr zu sehen. Mir wurde schwindlig.
    Als ich aus dem Bad kam, lag Grant im Bett. Das Licht war gedimmt. Die Jungs waren weg. Ich schlug die Laken zurück und sah viel Haut. Ich ließ mein Badetuch fallen.
    »Gleich wird es dir besser gehen«, sagte Grant, sehr zärtlich.
    Er hielt Wort.

    Ich war eine schlechte Träumerin. Früher hatte ich Albträume gehabt, vielmehr Visionen von fliegenden Elefanten, Zikaden, die in Zylindern zirpten. Aber seit dem Tod meiner Mutter waren meine Träume substanzlos geworden, beinahe optimistisch in ihrer Schlichtheit. Mein Leben war so unvorstellbar bizarr, dass nichts mehr blieb, was ich im Schlaf hätte beschwören können. Falls ich trotzdem träumte, konnte ich es ausgezeichnet verdrängen. Meistens erinnerte ich mich nur an Dunkelheit.
    Aber als ich in dieser Nacht einschlief, träumte ich von Trommeln, einem Tal im Mondlicht, das unter mir ausgebreitet lag: wie rosige Wangen. An meinen Fußsohlen spürte ich die Spitzen von Schwingen, wie die eines Drachen, und ich hatte den Geschmack von Zimt und Gewürzen im Mund und etwas Schlimmeres, etwas ekelhaft Metallisches; es war so cremig wie Butter, die aus Blut gewonnen worden war.
    Außerdem war ich in meinem Traum nicht allein. Die Jungs waren da, liefen wie Wölfe um mich herum, und ich war in Gesellschaft eines Wolfsrudels, echter Wölfe, mit goldenen Augen und silbernem Fell. Ich selbst trug ebenfalls ein Fell. Ein goldenes und silbernes Fell, und ich hatte eine dünne Krone auf dem Haupt, die meine Haut mit scharfen Dornen durchbohrte. In der Hand hielt ich ein Schwert.
    Hinter mir erhob sich eine Schwindel erregende Wand aus Dunkelheit, ein Umhang wogte wallend, ein blasser Mund lächelte.
    Die Zeit ist gekommen , dachte ich. Das ist Blut.
    Und so war es.
     
    Als ich aufwachte, überzogen Tätowierungen meine Haut. Sonnenaufgang. Ich hatte die Nacht überlebt.
    Ich hatte den Geschmack von Zimt im Mund. Ich blickte auf meine Hand unter den Laken. Rote Augen erwiderten den Blick,
starr und flach. Rohw mit seinem silbrigen Kinn lag verzerrt auf meiner Haut. Er hatte gestern Nacht auf meinem Schenkel geruht, aber die Jungs schliefen nie zweimal hintereinander an derselben Stelle. Ich ließ nur selten andere meine Tattoos sehen. Manche Dinge waren einfach zu schwierig, um sie zu erklären.
    Ein warmer Fuß rieb mein Bein. Ich rollte mich herum. Grant hatte sich auf den Ellbogen gestützt, und die Morgensonne wärmte sein braunes Haar. Er hatte die Steinscheibe in der Hand.
    »Entschuldige«, murmelte er beiläufig. »Ich war neugierig.«
    Ich rollte mich auf den Bauch, zog die Kissen unter mich und ertappte ihn dabei, wie er meine tätowierten Brüste betrachtete. Eine von ihnen benutzte Zee gerade als Kissen. Als ich hinuntersah, bemerkte ich seine quecksilbrige Hand auf meinem Brustbein. Die mittlere Kralle war ganz ausgestreckt.
    »Jedenfalls weiß ich genau«, erklärte ich friedfertig, »dass er mich nicht damit meint.«
    »Frag nur nicht«, knurrte Grant und rollte die Scheibe in seiner großen Hand. »Was ist das?«
    »Gartenschmuck, limitierte Auflage. Die Jungs haben die ganze Nacht wieder QVC geguckt.«
    Seine Lippen zuckten. »Maxine.«
    »Jack Meddle hat sie mir gegeben. Er sagte, sie käme von meiner Mutter.«
    »Einfach so? Was für ein Zufall.«
    »Ich weiß, wie du dazu stehst.« Ich fuhr mit einem Finger über die dicken, harten Muskeln seines Unterarms. »Glaubst du an Märchen?«
    Grant rutschte tiefer in die Laken, drehte sich auf die Seite und legte den Stein zwischen uns auf den Rand meines Kopfkissens. »Ich glaube an dich. Und ich weiß, was ich kann. Das bedeutet vermutlich, alles sei möglich.«

    Ich betrachtete den Stein. In der Morgensonne hatten die kreisförmigen Rillen

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