Gefaehrtin der Nacht
sich in dem noblen Geschäft mit dem Marmorfußboden und der gedämpften Beleuchtung eingeschüchtert und fehl am Platz gefühlt, doch die freundlichen Verkäuferinnen hatten sie schnell aufgelockert. Sie waren mehr als eifrig, ihr behilflich zu sein, nachdem sie ihnen gesagt hatte, wonach sie suchte. Jeder liebte Hochzeiten und Florenz war einer der romantischsten Orte der Welt, um sich zu vermählen.
Sie waren erst ein paar Tage in der Stadt, doch Skyler fand sich schon gut zurecht. Sie nutzte die marmorne Basilika der Kathedrale und die Bögen des Ponte Vecchio als Orientierungspunkte. Florenz war nicht nur schön. Die Stadt wirkte wie eine Filmkulisse mit ihren beeindruckenden, erhabenen Bauten, und weil es November war, waren die verschlungenen Gassen kalt und fast leer gefegt von all den kunstliebenden Touristen, was ihr eine leicht melancholische Atmosphäre verlieh.
Die ganze Woche über hatte Jack geheimnisvoll getan und war schweigsam gewesen. An diesem Morgen hatte er es eilig gehabt und war verschwunden, ohne ihr zu sagen, wohin er wollte. Skyler ließ ihm seine Geheimnisse, sie plante selbst eine Überraschung. Auch wenn es nur eine schlichte Zeremonie geben würde, die Welten entfernt war von dem pompösen Ereignis in der Saint-John-Kathedrale in New York, das Mimis Hochzeitsplaner organisiert hatten, fühlte Skyler ein tiefes Verlangen, etwas Besonderes daraus zu machen. Sie konnte nicht heiraten ohne ein angemessenes Hochzeitskleid. Ihre Bankkonten waren noch immer gesperrt – das Komitee hatte dafür gesorgt –, doch sie wusste, dass Jack es ihr nicht übel nehmen würde, wenn sie Geld für ein Kleid ausgab.
»Wie sieht Ihr Traumkleid aus?«, fragte eine ältere Verkäuferin in herrischem Italienisch und musterte Skylers Outfit mit kritischem Blick. Skyler trug alte Sneakers von Converse, eine ausgewaschene Jeans und einen zerknitterten, zugeknöpften Oxford-Mantel für Herren. »Romantisch? Klassisch oder unkonventionell? Sexy?« Ohne auf eine Antwort zu warten, schnippte die Alte mit den Fingern und schon marschierte eine Armee aus Angestellten los, um eine Auswahl an Hochzeitskleidern in den Ankleideraum zu bringen, jedes schöner und aufwendiger verziert als das andere.
Als Kind hatte sich Skyler nie Seifenblasenträume über ihre Hochzeit ausgedacht, hatte niemals romantische Fantasien nachgespielt, indem sie das Gelübde mit einer kichernden Freundin aufsagte, die vorgab, der Schwarm des Tages zu sein. Eine Hochzeit erforderte viel Vorbereitung und grandiose Pläne. Es sollte ein Tag sein, der ein einfaches Mädchen in eine Prinzessin verwandelte.
Skyler probierte das erste Kleid mit einem prachtvoll bestickten Korsett und einer drei Meter langen Schleppe an. Als sie sich im Spiegel betrachtete, erinnerte sie sich an all die Upper-East-Side-Hochzeiten, zu denen ihre Großmutter sie mitgenommen hatte. Es war immer dasselbe gewesen: Nullachtfünfzehn-Bräute in exquisiten, eng anliegenden Kleidern oder in einem Meer aus Tüll, austauschbare Bräutigame, verwegen und selbstsicher mit schwarzen Krawatten.
Jetzt wurde ihr klar, dass die Zeremonie mit ihren langatmigen Reden, dem obligatorischen Verlesen des Briefes von Paulus an die Korinther – Liebe ist geduldig, Liebe ist gütig, Hochzeiten sind langweilig – und dem Austausch der Gelübde und Ringe einer gewöhnlichen Red-Blood-Vermählung ähnelte. Wenn die Familie an den Gepflogenheiten der Alten Vampirgemeinschaft festhielt, gab es im Anschluss geschmackvolle Empfänge und die elegante Gästeschar tanzte zum Lester-Lanin-Orchester. Hielt sie nicht daran fest, wurden überschwängliche und protzige Partys mit Nachtclub-Sängern und einem Kamera-Team gefeiert, das das ganze glitzernde Durcheinander dokumentierte.
»Nein, das Kleid ist zu pompös für Sie, Signorina «, gackerte die Verkäuferin und schob ein anderes Kleid in Skylers Richtung. Dieses Modell war schlicht und rückenfrei, doch als Skyler es anzog, fühlte sie sich, als würde sie versuchen, jemand anders zu sein. Und an ihrem Hochzeitstag wollte Skyler sie selbst sein, nur ein bisschen hübscher als sonst.
Wie für die meisten Mädchen war es auch für sie immer selbstverständlich gewesen, dass sie eines Tages heiraten würde – irgendwann in der Zukunft, irgendjemanden. Heiratete denn nicht jeder einmal? Doch diese Selbstverständlichkeit war nie zu einem wirklichen Verlangen oder dem Fokus ihres Lebens geworden. Eigentlich war sie noch viel zu jung. Sie war
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