Gefaelschtes Gedaechtnis
Blicke aus. » Ist das ein Problem?«, fragte Shapiro.
»Ich weiß nicht«, sagte Adrienne, die an Shaws verkniffenes Lächeln und an seinen Vorschlag denken musste, sie solle Shapiro sagen, sie hätte von ihm aus einer Fernsehdokumentation erfahren.
Shapiro lächelte, fast verlegen. »Ich möchte sichergehen, dass Sie auch die sind, die Sie vorgeben zu sein — und dass das, was Sie mir erzählt haben, auch wirklich passiert ist.«
»Sie haben die Akte«, erwiderte Adrienne.
»Die Akte«, wiederholte Shapiro mit einem leisen Lachen. »Wir drei sitzen hier und reden über das Fälschen menschlicher Wesen — und Sie sind überrascht, dass ich den Inhalt eines Aktendeckels überprüfen will?«
Schließlich entschied Adrienne, dass es Ray Shaw sicherlich nicht schaden könnte, wenn er mit Shapiro redete. Und es würde nicht lange dauern. Shapiro wollte lediglich eine Bestätigung ihrer Glaubwürdigkeit.
Shapiro telefonierte in der Küche. Sie konnten ihn leise sprechen hören, verstanden aber kein Wort. Nach etwa zwei Minuten kam er zurück ins Wohnzimmer und setzte sich neben sie.
»Und?«, fragte McBride. »Was hat er gesagt?«
Shapiro schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nicht erreicht.«
»Aber —«
»Ich habe mit seiner Frau gesprochen ...«
Adrienne und McBride warfen einander einen Blick zu. Shapiro wirkte seltsam gedämpft. »Und was hat sie gesagt?«, fragte Adrienne.
»Sie war völlig aufgelöst. Sie sagte, ihr Mann ist gestern Abend vor der Klinik von einem Auto angefahren worden. Die Polizei fahndet nach dem Fahrer. «
Obwohl sie auf dem Fußboden saßen, hatte McBride das Gefühl, als säße er in einem Flugzeug, das in ein Luftloch geraten war, so flau war ihm im Magen. »Wird er es überleben?«
Shapiro blickte sie beide an. »Nein.«
35
M cBride legte Holz im Ofen nach, während der alte Wissenschaftler in der Küche etwas zu essen zubereitete — ein einfaches Mahl: Jasminreis mit Gemüse aus dem eigenen Garten. Dazu eine Flasche australischen Rotwein. Es war köstlich. Während des Essens erzählte Shapiro die schmutzige Geschichte des Programms zur Bewusstseinssteuerung der CIA.
»Die meisten Leute meinen, es wäre eine Reaktion auf die kommunistischen Aktivitäten in Mitteleuropa und Korea gewesen. Es gab einen Schauprozess gegen einen Priester namens Mindzenty und jede Menge Gerede über >Gehirnwäsche<. Aber in Wahrheit hatte das Programm schon lange vorher angefangen.«
»Das Programm?«, fragte Adrienne und musste an die Website auf dem Computer ihrer Schwester denken.
Shapiro zog die Stirn kraus. »Das war unsere interne Bezeichnung, es hatte jede Menge Namen. Die Aktivitäten, über die wir sprechen, fingen während des Zweiten Weltkrieges in Europa an, als das OSS nach einer >Wahrheitsdroge< suchte, die sie bei Verhören benutzen konnten.«
Der Wissenschaftler schenkte sich Wein nach und erzählte, dass das Projekt nach dem Krieg ausgeweitet wurde, mit finanzieller Unterstützung der neu gegründeten CIA. Im Jahre 1955 waren an den besten Universitäten und den schlimmsten Gefängnissen des Landes bereits über 125 Experimente im Gange. Weitere Forschungen wurden in psychiatrischen Einrichtungen sowie in »zivilen Versuchsstätten« mit »Freiwilligen ohne deren Wissen« durchgeführt.
»Was soll denn das heißen?«, fragte McBride.
»Das heißt, wir haben Kameras in Bordellen angebracht und Drogen an den Freiern getestet — ohne deren Wissen«, erwiderte Shapiro. »Das heißt, wir haben Drogensüchtige benutzt wie Wegwerftücher — ebenso Homosexuelle. Kommunisten. Perverse. Ganoven.« In dem damals herrschenden Klima— also mitten im Dauerfrost des Kalten Krieges —, so erklärte er weiter, herrschte in den USA ein kultureller Konservatismus, in dem »Außenseiter« als »Freiwild« galten. »Wir brauchten die Zustimmung der Versuchspersonen nicht«, sagte Shapiro, »weil unsere Forschungen streng geheim waren. Wir handelten schließlich im >nationalen Interesse<.«
»Dann war es also leicht, die Sache zu verbergen«, warf Adrienne ein.
»Wir haben gar nichts verborgen — es war geheim. Und auch wenn ein paar von uns ethische Bedenken hatten, Drogen und medizinische Verfahren an Versuchspersonen ohne deren Wissen zu testen ... tja, solche Bedenken waren irrelevant, sobald man begriff, dass man es mit dem Feind zu tun hatte.«
»Ich dachte, die Sowjetunion war der Feind«, bemerkte McBride.
»Natürlich. Aber der Kalte
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