Gefaelschtes Gedaechtnis
einen Schluck Eistee. »Mamie war Cals Geliebte.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Oh ja. Und sie ist ganz anders als Cal. Ich mag sie eigentlich ganz gern, obwohl mir schleierhaft ist, was sie an Cal gefunden hat. Aber sie waren seit ewigen. Zeiten befreundet. Hatten sich in London kennen gelernt, während des Krieges. Sie war verheiratet, wie sich herausstellte.« Thea lachte in sich hinein. »Ich hab sie immer >die kleine Holländerin< genannt, weil sie ... na ja, genau das war! Holländerin, meine ich. Sie heißt Marijke Winkelmann. Cal hat sie nur >Mamie< genannt«
»Und ihr Mann?«, fragte Adrienne.
»Och, der ist tot — ich glaube, schon seit zwanzig Jahren. Er war beim Roten Kreuz in Genf. Alle beide. Flüchtlingshilfe.«
»Verstehe«, sagte McBride, obwohl er es eigentlich nicht erstand.
»Da hat es angefangen«, sagte Thea.
»Was?«, fragte Adrienne.
»Das mit den beiden. Ihre Affäre. Er war in Zürich. Genf war nicht so weit weg — aber warum sie Cal nach dem Tod ihres Mannes nicht geheiratet hat, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich zu umständlich. «
»Meinen Sie, sie würde es wissen, wenn er irgendwelche Unterlagen hinterlassen hat?«, fragte McBride.
Thea Wilkins rührte ihren Eistee um, nippte einmal daran und tupfte sich anschließend die Lippen mit der Serviette ab. »Na, wenn irgendwer das weiß«, sagte sie, »dann Mamie ... Ich gebe Ihnen ihre Adresse, und Sie können sie selbst fragen.«
»Sie haben nicht zusammengelebt?<, fragte Adrienne.
»Oh, um Himmels willen, nein. Sie haben immer getrennt gewohnt. Mamie hat ein prachtvolles Haus, direkt am Strand. Villa Alegre.«
Villa Alegre war wirklich prachtvoll, ein niedriges, rosa verputztes Haus mit einem Tonnendach aus Terrakottaziegeln. Es stand inmitten einer üppigen Vegetation, einem regelrechten Wald aus alten Palmen und Banyans.
Und die Bewohnerin unterschied sich gewaltig von ihrer beinahe Altersgenossin Theodora Wilkins. Sie trug Shorts und T-Shirt und Birkenstocksandalen. Trotz ihres runzeligen Halses und der mit einem Netz aus Falten durchzogenen Haut war sie noch immer eine Schönheit. Sie hatte weit auseinander stehende, blassblaue Augen, blondes, silbrig gewordenes Haar und breite, volle Lippen. Sie führte sie um das Haus herum in den Garten und blieb an einem kleinen Teich stehen, in dem Karpfen schwammen. »Mein Feng-Shui-Berater hat mir empfohlen, sie anzuschaffen. Er meint, das Haus braucht Bewegung. Jedenfalls sehen sie großartig aus, finden Sie nicht?« McBride äußerte sich bewundernd. Adrienne lächelte höflich.
»Sie mögen sie wohl nicht, meine Liebe?«, sagte Mamie.
Adrienne zuckte die Achseln. »Nicht besonders, ehrlich gesagt. Ich weiß nicht, warum.«
»Wahrscheinlich wegen der Farben«, mutmaßte Mamie. »Darf ich Sie etwas fragen? Mögen Sie Halloween?«
»Nein. Überhaupt nicht.«
Die alte Frau strahlte übers ganze Gesicht, erfreut, ihre Theorie durch diese eine Stichprobe bestätigt bekommen zu haben. »Na, da haben wir's!« Sie nahm kameradschaftlich Adriennes Arm und führte sie den Fliesenweg zum Haus hoch. Irgendetwas an der Art, wie die ältere Frau sprach, hatte Adrienne aufhorchen lassen. Dann dämmerte es ihr: Die Dame war zwar nicht betrunken, aber auf dem besten Weg dahin.
Sie wollte erst mit ihnen reden, wenn sie es sich >gemütlich< gemacht hatten. Sie nahmen in weißen Korbsesseln unter einer mit Weinreben überrankten Pergola Platz und schauten entzückt den Wellen zu, die auf den nahe gelegenen Strand plätscherten. Mamie entschuldigte sich und kam einige Minuten später mit einer Karaffe Martini und einem Teller mit Käse, Obst und Kräckern zurück.
Sie schenkte die Drinks in traditionelle Gläser mit Stiel ein, tat Oliven hinein und reichte sie ihren Gästen, bevor sie erklärte, dass sie bereit sei.
»Also«, sagte sie, ihr Glas hebend. »Salute. Was möchten Sie gern über Cal wissen?«
Sie tischten auch ihr die Geschichte auf, Adriennes verstorbene Schwester hätte im Briefwechsel mit Crane gestanden. Mamie sagte, darüber wisse sie nichts.
»Er hat mir nie was von einem Briefwechsel erzählt, aber so verwunderlich ist das auch wieder nicht«, sagte sie.
Sie sprachen darüber, was für ein Mensch Calvin Crane gewesen war. Somit war der Weg für McBrides Frage geebnet, ob Crane irgendwelche Feinde gehabt hatte.
»Die Polizei hat mir die gleiche Frage gestellt«, erwiderte Mamie, »aber ich hatte den Eindruck, aus reiner Routine und dass sie sich für die Antwort
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