Gefaelschtes Gedaechtnis
eigentlich nicht interessierten. Deshalb hab ich auch nicht groß drüber nachgedacht.« Sie biss ein winziges Stück Käse ab und spülte es mit einem großzügigen Schluck Martini hinunter. »Aber ich weiß, dass Gunnar nicht gut auf ihn zu sprechen war.«
»Gunnar?« , fragte Adrienne.
»Gunnar Opdahl«, sagte Mamie. »Er war Cals Protegé im Institut, aber... Ist alles in Ordnung, Mr. McBride?«
Nein, das war es nicht. Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen, als der Name Opdahl fiel. Sein Herz tat einen Satz, und Panik machte sich in ihm breit. Er musste zusammengezuckt sein, denn Adrienne legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Alles okay?«, fragte sie.
Ein Windstoß ließ die Windspiele klirren.
Er nickte und log: »Ich hab Staub ins Auge bekommen.« Arienne betrachtete ihn argwöhnisch.
Er dachte bei sich: Was war das, verdammt noch mal? Gunnar Opdahl war ... was denn? Klug und kultiviert, eine angenehme Gesellschaft beim Lunch. Und noch während er das dachte, wusste er, dass da noch etwas war, etwas zutiefst Widerwärtiges, an das er sich nur noch erinnern musste. Schließlich räusperte er sich und blickte Mamie an. »Sie sagten gerade ...«
»Ja, ich habe gesagt, sie hatten einen Streit. Gunnar und Cal.«
»Wissen Sie, worum es dabei ging?«, fragte Adrienne.
»Nein«, erwiderte Mamie. Obwohl sie immer nur an ihrem Martini nippte, hatte sie das Glas fast geleert. »Ich habe die Schweiz vor Cal verlassen. Das Wetter geht einem auf die Nerven, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat.«
»Wann ist Cal in Ruhestand gegangen?«
»93«, erwiderte Mamie. »Aber ihre Meinungsverschiedenheit liegt noch nicht so lange zurück. Ich glaube, es fing vor etwa einem Jahr an. Vielleicht ist es auch ein bisschen länger her.«
»Hing es mit dem Institut zusammen?«, fragte Adrienne.
Mamie neigte den Kopf von einer Seite zur anderen, runzelte die Stirn und schenkte sich Martini nach. »Sehr wahrscheinlich. Das war ja ihr einziger gemeinsamer Bereich. Und noch im Ruhestand hat Cal sich um gewisse Dinge gekümmert. Als einer der Gründer hatte er noch immer ein Wörtchen mitzureden.«
»Wobei?«
»Bei den Stipendien, der Forschung — und natürlich in der Klinik. Sie leisten ausgesprochen gute Arbeit mit gestörten jungen Menschen.« Sie hielt inne und fuhr dann fort: »Dieser Disput mit Gunnar könnte ...« Doch dann zuckte sie mit den Schultern, beendete den Satz nicht. »Ich sollte eigentlich nicht darüber sprechen. Weil ich es nicht weiß. Ich kann ja nur raten.«
»Erzählen Sie es uns. Bitte«, drängte Adrienne. »Wir wissen praktisch nichts ...«
»Nun, ich wollte sagen, dass es vielleicht mit dem Geld zu tun gehabt haben könnte, dass Gunnar das Gefühl hatte, ihm würden Steine in den Weg gelegt. Den Eindruck hatte ich von einem Telefonat her, das ich zufällig mitgehört habe.« Sie fischte eine Olive aus ihrem Glas und steckte sie sich in den Mund.
McBride beugte sich zu ihr vor. »Gibt es jemanden am Institut, der uns Näheres über den Zwist der beiden erzählen könnte?«
Mamie legte die Stirn in Falten. »Ach, das glaube ich nicht. Cal war der Letzte von der Gründertruppe. Und die neuen Mitarbeiter ... tja, die kenne ich nicht mal.«
»Lew war ein Stipendiat«, verriet Adrienne mit einem Seitenblick auf McBride.
»Ach, was Sie nicht sagen!«, rief Mamie mit einem breiten Lächeln. »Wie aufregend!« Sie streckte die Hand aus, tätschelte ihm vertraulich den Arm. »Sie müssen ja ein außergewöhnlicher junger Mann sein!«
McBride lächelte. Mamie schielte mittlerweile leicht, und sie fing an zu nuscheln. Wahrscheinlich hatte die Frau ihnen alles gesagt, was sie wusste.
Auch Adrienne fiel das auf. Mamie war jetzt bei der Olive in ihrem zweiten Martini angelangt, was erwarten ließ, dass das Gespräch bald an Zusammenhang verlieren würde. Es war also am besten, zur Sache zu kommen. Sie nahm ihr Glas, hielt es am Stiel, schwenkte es und sah zu, wie die ölige Flüssigkeit Kreise zog. Draußen in der Bucht sauste heulend ein Jet-Ski über das Wasser. MacBride erzählte Mamie gerade von seinem Stipendium.
Wenn es ein Rechtsstreit wäre, überlegte Adrienne, was würde ich da fragen?
»Hat Mr. Crane irgendwelche Unterlagen hinterlassen?«
Die Frage überraschte Mamie. »Wie bitte?«
»Ich weiß, dass seine Habseligkeiten verkauft wurden«, sagte Adrienne, »aber manchmal —«
»Na, Sie sind nicht die Erste, die danach fragt«, sagte Mamie mit der Hand vor dem Mund, weil sie
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