Gefaelschtes Gedaechtnis
besprechen. Ich war mit ihm zum Lunch verabredet.«
»Der Typ, der den Streit mit Crane hatte?«
McBride nickte, schlug dann die Seite mit dem Gruppenfoto auf der Terrasse in Murren auf. »Er sieht aus wie sein Vater«, sagte er. »Opdahl, meine ich.« Und während er auf das breite Gesicht und die zusammengekniffenen Augen blickte, durchlief ihn der gleiche Schauer wie noch kurz zuvor, ein angstvolles Frösteln. Er schüttelte das Gefühl ab. »Wir müssen uns ranhalten.«
»Mmm.« Der Regen trommelte jetzt aufs Dach.. Adrienne öffnete einen DIN-A4-Umschlag, schaute kurz hinein und legte ihn wieder auf den Tisch. »Was ist da drin?«, fragte McBride.
»Bloß ein Packen Zeitungsausschnitte«, erwiderte sie. »Nachrufe und so.«
McBride zuckte die Achseln und nahm sich den Notizblock vor, der aussah, als wäre er nie benutzt worden. Als er ihn trotzdem rasch durchblätterte, rutschte ein Briefumschlag heraus und fiel auf den Tisch. Fast im selben. Moment sah er, dass auf den letzten Seiten des Blocks etwas geschrieben stand, das aussah wie ein Brief oder der Entwurf eines Briefes.
Er ließ den Umschlag erst einmal liegen und richtete sein Augenmerk auf den handschriftlichen, mit Streichungen und Korrekturen versehenen Text. Gunnar — so begann der Brief.
McBride stockte. Kein »Lieber« — also waren sie sich wohl nicht grün. Und was noch seltsamer war: Warum sollte jemand einen Brief auf den letzten Seiten eines Notizblocks schreiben, von hinten nach vorn? Die Frage war natürlich banal, und schon als er sie sich stellte, kam er auf die Antwort: Weil Crane den Block offenbar mit sich herumgetragen, auch an öffentlichen Orten geschrieben und nicht gewollt hatte, dass irgendwelche Passanten ein Wort lesen konnten.
Meine einfache Antwort lautet:
Wieder hielt McBride inne. »Gunnar—Meine einfache Antwort lautet ...« Die Antwort worauf?, fragte er sich.
Ich bin entsetzt über deinen Vorschlag. Jericho übersteigt jedes Vorstellungsvermögen, und ich kann mir nicht mal im Traum ausmalen, was für verdrehte Schönfärbereien erforderlich waren, um es zu rechtfertigen. Bis zum heutigen Tag ist mir die Erinnerung an meine frühere Passivität unerträglich. Ein einziges Flugzeug stürzt in Afrika ab, und eine Million Menschen sterben?
Wo war eure vorbereitende Forschung? Was hast du dir dabei gedacht? Hatten wir überhaupt jemals einen Stipendiaten in Ruanda?
Was immer du dir dabei gedacht hast, ich werde mich nicht noch einmal an einer solchen Katastrophe beteiligen, und mach dir nichts vor, Jericho wird auf jeden Fall eine Katastrophe werden. Ja, ihr Vorläufer wird sich dagegen aller Wahrscheinlichkeit nach wie ein Probelauf ausnehmen. Und deshalb wirst du nicht die Unterschrift erhalten, die du verlangst. Unter gar keinen Umständen. Und ich garantiere dir, solltest du dennoch irgendeine Möglichkeit finden, weiterzumachen, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Jericho zu verhindern.
Gunnar, ich möchte dich an einige unserer ersten Prinzipien erinnern — die du offenbar vergessen hast. Wir haben unser Unternehmen in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs gegründet. In der Zeit nach dieser Weltkatastrophe schlingerte der Westen in einen Kalten Krieg hinein, der die beiden barbarischen Weltkriege um einen weiteren zu ergänzen drohte. Um das zu verhindern, haben einige von uns die Organisation gegründet, deren Leitung du jetzt innehast.
Dein Vater war einer von uns. Er war sogar einer der Besten von uns.
Aber uns alle einte ein und dieselbe Sache, acht Männer aus halb so vielen Ländern, die sich ganz und gar dem Erhalt der Freiheit verschrieben hatten — Männer von verschiedenen Geheimdiensten, die die gleiche Überzeugung hatten: dass es neben den Politikern und Wissenschaftlern noch eine Macht, eine dritte Klasse von Individuen, geben musste und dass diese dritte Klasse es sich zur Aufgabe machen sollte, die Fehler der Zivilisation zu vereiteln ...
Keine Hitlers mehr. Keine Stalins mehr. Keine Maos mehr.
Nie wieder.
Die Risiken, die wir auf uns genommen haben, sind unvorstellbar, umso mehr, als wir nicht den Handlungsspielraum und die Immunität genossen, die für Regierende selbstverständlich sind. Wenn wir untergehen, dann für immer — und unwiderruflich —, und dann kommt unweigerlich alles ans Licht, nicht nur Batista, sondern auch Papa und der ganze Rest. Bist du dazu bereit? Das bezweifele ich.
Die Wahrheit ist nun mal, dass das Institut schon immer ein parapolitisches
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