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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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stilleren Jungs. «
    Duran überlegte. War er das gewesen? Vielleicht. Und Bunny? Wer war das? Er konnte sich ihr Gesicht nicht vorstellen — aber er hatte ja auch keinen Kontakt gehalten. Die High School war lange her. »Ja, kann sein«, erwiderte Duran. »Tja ... also was gibt's? Was kann ich für dich tun, Bunny?«
    »Zweierlei. Du kannst mir versprechen, dass du den Fragebogen beantwortest, den ich verschicke. Du weißt schon, so einer nach dem Motto >Was ist aus dir geworden?<.«
    »Okay.«
    »Und zweitens: Du kommst zum Klassentreffen. Du kriegst doch den Rundbrief für Ehemalige, nicht? Ich rufe nur an, um dich zu motivieren. Wir brauchen jeden, den wir kriegen können.«
    »Na ja ...« Auf dem Tisch lag ein Streichholzbriefchen, er hob es auf, drehte es zwischen den Fingern. Die Vorderseite war mit einer Reihe silberner und schwarzer Kreise bedruckt. Auf der Rückseite sahen die Kreise aus wie ein Auge. Darunter standen die Worte:
    Trance-Club
    Davos-Platz
    Das mussten de Groots Streichhölzer sein.
    »Jeff?«, sagte die Stimme im Telefon. »Bist du noch dran?« Konzentrier dich. »Aber ja.«
    »Na, was meinst du dazu?«, sagte Bunny mit ihrer schmeichelnden Stimme. »Komm schon. Sag einfach ja. Komm. Es ist auch nicht bloß unser Jahrgang — es kommen noch zwei andere Jahrgänge. Und wir haben so eine Art Wettkampf. Es ist albern, aber — kann ich auf dich zählen?«
    »Ich werd's versuchen.«
    »Tja, damit muss ich mich wohl begnügen. >Ich werd's versuchen< ist aber immer noch besser als >Ich überleg's mir<, was, wie wir alle wissen, >ausgeschlossen< heißt. Schreib's dir in deinen Terminkalender, okay?«
    »Mach ich.«
    »23. Oktober.«
    »Alles klar.«
    »Prima. Und, Jeff?«
    »Ja?«
    »Wenn du nicht zum Klassentreffen kommen kannst, dann werde ich kein Verständnis dafür haben! «
    Nachdem er aufgelegt hatte, wiederholte er den Namen laut, ließ ihn sich immer wieder durch den Kopf gehen, während er die Lebensmittel wegpackte, und erwartete fast, dass ein Gesicht aus seiner Erinnerung auftauchte. Aber da war nichts. Weder ein Bild noch eine Anekdote.
    Die High School ist lange her, dachte er, als er die Zitronen ins Gemüsefach legte. Trotzdem: Sein Jahrgang bestand aus nur hundert Leuten, halb Jungen, halb Mädchen. Also müsste er sich doch eigentlich an Bunny erinnern.
    Er füllte den Kaffee in die Dose von Starbuck's und drückte den Metallverschluss mit dem Daumen herunter. Bunny Kaufman. Er schloss die Augen und überlegte und stellte sich ein kleines, blondes, gesichtsloses Mädchen vor. Und das war alles. Irgendwie seltsam. Nach vier gemeinsamen Jahren mit Unterricht, Spielen, Sportfesten und Feten, Schulfeiern und Klassenausflügen brachte er nicht mehr zu Stande als »klein und blond«?
    Es war deprimierend. Je länger er darüber nachdachte, desto deutlicher wurde ihm, wie wenig er aus der Schulzeit in Erinnerung hatte. Eigentlich so gut wie gar nichts. Ein paar Namen und Gesichter. Der Schulleiter, Andrew Pierce Vaughn, sein fröhliches Gesicht in Lachen erstarrt. Die Fassade der Schule. Die Abschlussfeier im Garten hinter dem Zartman-Haus. Aber von den Freunden, die er gehabt hatte, von den Lehrern wusste er nichts mehr.
    Es war wirklich ein wenig beunruhigend. So beunruhigend, dass er, obwohl er so etwas sonst nie tat, das Datum auf einen Post-it-Zettel schrieb und ihn an seinen Computermonitor klebte: Sidwell Klassentreffen: Sa., 23. Okt. Warum eigentlich nicht ...
    Sein Vier-Uhr-Termin mit Nico kam und verging, ohne dass sie auftauchte. Er überlegte, ob er sie anrufen sollte, entschied sich aber dagegen. Die Verantwortung dafür, die Verbindung zwischen ihnen zu halten, musste bei ihr liegen, sonst würde die Beziehung nicht funktionieren. Wie viele Kinder, die in jungen Jahren verwaist waren, hatte Nico eine lange Geschichte von Abhängigkeiten, von der Suche nach Ersatzeltern, die für sie sorgten. Als Erwachsene musste sie die Verantwortung für ihr Leben selbst in die Hand nehmen, anstatt sich auf Autoritätspersonen zu verlassen. Sonst würde sie erneut in alte Verhaltensmuster von Missbrauch fallen, würde Sex mit Liebe verwechseln, Entwürdigung mit Strafe.
    Als sie nicht kam, machte sich Duran also zwar Gedanken, aber er rief nicht bei ihr an. Autonomie war wichtig für Nico, und er hatte von Anfang an klargemacht, dass sie, sie allein für ihre Genesung verantwortlich war. Er konnte ihr helfen. Aber er war nicht ihr Vater, ihr Ehemann oder ihr Vormund.
    Er setzte sich vor

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