Gefaelschtes Gedaechtnis
noch mal gegangen?«
»Brown«, erinnerte Duran ihn.
Mr. M nickte. »Ach ja, natürlich.«
»Und danach - Madison.«
»Ich denke, da könnte ich meine Hand im Spiel gehabt haben. Ich habe schon immer viel von Wisconsin gehalten. Volkswirtschaft, nicht wahr?«
Duran schüttelte den Kopf. »Klinische Psychologie.«
»Ja, ja.« Mr. M schmunzelte. »Dafür sind Klassentreffen ja da, damit wir hören, was aus allen so geworden ist.«
Der Rest des Nachmittags verlief angenehm ereignislos. Der Gottesdienst fand statt, und im Anschluss daran standen einzelne Ehemalige auf, um ihre Gedanken über so unterschiedliche Themen wie das »Genom-Projekt«, »Sexuelle Verantwortung« und die Bemühungen, Bilharziose in Ägypten auszurotten, zum Besten zu geben.
Die Fotositzungen für jede der drei Klassen gingen rasch und professionell vonstatten, und ein überaus effizienter Fotograf arrangierte die Aufstellung so, dass die Afroamerikaner nicht (wie normalerweise) gemeinsam kleine Grüppchen bildeten, sondern zwischen den anderen verteilt standen.
Duran erkannte Bunny nicht, die ganz und gar nicht wie die kecke Blondine aussah, die er sich vorgestellt hatte. Im. Gegenteil, mit ihrem langen, füchsischen Gesicht und den spitzen, gelben Eckzähnen erinnerte sie ihn mehr an ein Raubtier, als Duran es je bei einer Frau aufgefallen war.
»Jeff! «‚ krähte sie und nahm ihn am Arm, zog ihn von einer Traube Ehemaliger zur nächsten. »Ihr erinnert euch doch an Jeff. Duran! Das ist er!« Es folgten kräftiges Händeschütteln, kameradschaftliche Neckereien, der eine oder andere Wangenkuss.
»Jemand vom Basketball da?«
»Ich weiß doch nicht mehr, wer Basketball gespielt hat, Jeff! Mein Gott! Außer ... na ja, Adam Bowman natürlich. Der ist da.« Und dann erhellte sich ihr Gesicht. »Hast du gehört, dass Adam Knochenkrebs hatte und ein Bein verloren hat?« Sie brachte die Information mit der Begeisterung einer Eingeweihten an den Mann.
Duran schüttelte den Kopf. »Nein. Das ... ist ja schrecklich.«
Sie nickte. »Und ich denke, er wird nicht gut damit fertig.« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Hat eine Einladung zu den Paralympics ausgeschlagen ...«
Vor der Cafeteria - wo das Bankett stattfand - hing eine Fotomontage mit Vergrößerungen aus den Jahrbüchern der Klassen, die ihr Wiedersehen feierten. Duran suchte nach der Basketballmannschaft des '86er Jahrgangs - und da war sie, jedenfalls die meisten Spieler. Er selbst war nicht auf dem Foto. (Soweit er sich erinnerte, war er krank gewesen.)
Duran betrat die Cafeteria und nahm sich ein Glas Rotwein. Auf der anderen Seite des Raumes erblickte er einen tiefschwarzen Riesen, der Adam Bowman sein musste. Langsam bahnte er sich einen Weg durch das Gedränge zu seinem alten Freund.
»He«, sagte Duran und streckte die Hand aus.
Bowman schaute kurz auf sein Namensschildchen. »Jeff! Schön, dich zu sehen, Mann!« Ein schmerzhaftes Händeschütteln. »He, Ron — sag Jeff Duran guten Tag.«
Noch ein männlicher Händedruck und ein kurzer Austausch von Höflichkeiten. Dann wandte sich Ron McRea wieder der Blondine an seinem Arm zu, und Bowman setzte sein Gespräch mit Mr. M fort. Nach ein oder zwei Minuten schlenderte Duran weiter, irgend wie enttäuscht. Sie waren zwar nicht unfreundlich gewesen, aber er hatte einfach mehr erwartet. Was denn eigentlich? Kameradschaft? Irgendwas.
Er schüttelte das Gefühl ab und setzte sich neben Judy Binney an die Festtafel. Sie flirtete mit ihm bei Essen und Wein, dem sie gehörig zusprach. Dann kam der Kaffee, und nachdem in aller Hast - Gott sei Dank - kurze Reden gehalten worden waren, erinnerte man noch an bevorstehende Veranstaltungen und an das im Herbst stattfindende Benefizfest.
Schließlich war er wieder im Foyer des Zartman House und wartete neben Judy Binney auf ein Taxi, während sie nach draußen spähte und nach dem BMW ihres Mannes Ausschau hielt. Regen prasselte gegen die Scheiben.
Judy, die etwas mehr als nur leicht beschwipst war, flüsterte ihm ins Ohr, ob er sich vielleicht gern mal von ihr die Brust geben lassen wolle. Aber dann tauchte der BMW auf, und Judy lachte und sagte, sie habe »nur Spaß gemacht«. Schließlich gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und versprach, dass sie ihn 2005 wieder sehen würde.
Fünf Minuten später kam sein Taxi.
Duran stieg ein und lehnte sich zurück. Draußen glitt die Stadt vorüber, glänzend im Regen. Rücklichter bluteten auf den nassen Asphalt, und um die
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