Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
Vom Netzwerk:
Straßenlaternen herum tanzten Regentropfen. Er fühlte sich irgendwie eigenartig. Das Klassentreffen hatte ihn nicht beruhigt. Mal abgesehen von dem Zwischenfall mit der Pauke — der ihm Sorgen bereitete — war der Versuch, seine Erinnerung an die Vergangenheit zu vertiefen, ein Fehlschlag gewesen. Zwar waren alle nett und freundlich gewesen, doch nichts, was er gesehen, und niemand, mit dem er gesprochen hatte, hatte ihn wirklich bewegt. Im Gegenteil, er hatte sich wie ein auswärtiger Gast auf einer Gartenparty gefühlt. Er war zwar eingeladen gewesen, aber er hatte nicht richtig dazugehört. Und obwohl ihm die Leute, die er gesehen hatte, vage bekannt erschienen waren, hatte er dennoch höchstens eine verschwommene Erinnerung an sie — so diffus und undeutlich wie der gelbe Lichtkranz um die Straßenlaternen.
    Die Wahrheit war: Im Grunde erinnerte er sich an keine einzige Menschenseele. Nicht wirklich. Überhaupt nicht.

11

                A drienne saß an ihrem hoffnungslos unordentlichen Schreibtisch und gähnte. Das Gähnen dehnte sich aus und wurde stärker, bis es wehtat und ihr Tränen in die Augen traten. Gott, war sie müde! Sie nahm ein Haribo aus der kleinen Schale auf ihrem Schreibtisch und biss zuerst die oberste Schicht ab, dann die mittlere, bevor sie den Rest in den Mund steckte. Vielleicht würde der Zucker ihr helfen, wach zu werden.
    Der Amalgamated-Fall war in der Phase, in der die Aussagen zu Protokoll genommen wurden — beide Parteien führten sozusagen eine Vorbefragung potenzieller Zeugen durch. Sie wusste inzwischen weitaus mehr über Asphalt, als sie je hätte wissen wollen, weil sie seit zehn Tagen hintereinander fünfzehn Stunden am Tag arbeitete, um mit allem Schritt zu halten, was Curtis Slough ihr scheibchenweise zuwarf.
    Nikki war vor über einer Woche eingeäschert worden, und noch immer hatte Adrienne die Urne nicht abgeholt. Das Bestattungsunternehmen hatte dreimal angerufen. Wenn sie nicht bald käme, so hatte Barrett Albion ihr mitgeteilt, würden sie ihr die »Aufbewahrung« in Rechnung stellen, als wäre die Urne ein Auto, das wegen Falschparkens abgeschleppt worden war. Sie musste die Urne unbedingt abholen, und zwar heute noch, obwohl sie und Slough einen Termin mit Ace Johnson hatten, einem wichtigen Zeugen, den sie auf seine Aussage vorbereiten mussten. Slough würde erwarten, dass sie mit den beiden zum Lunch ging, aber sie würden ohne sie auskommen müssen.
    Mr. Johnsons vollständiger Name lautete, so unglaublich das auch war, Adonis Excellence Johnson. Er war siebenunddreißig Jahre alt und gehörte zum unteren Management von Amalgamated. Adrienne hatte erwartet, dass Mr. Johnson schwarz wäre, weil ihrer Erfahrung nach Schwarze oft besonders klingende Namen hatten. Doch Adonis Johnson war ein kräftiger Weißer mit kreidebleicher Haut und Augen so blau wie eine neue Jeans. Eine große, unmodische Brille klebte ihm auf der mit Aknenarben übersäten Nase. Als er in Curtis Sloughs elegantes Büro geführt wurde, sah er verängstigt aus.
    Knapp zwei Stunden lang arbeiteten sie seine Aussage mit ihm durch, und gegen halb eins schlug ihr Boss vor, gemeinsam zum Lunch ins Occidental Grill zu gehen.
    Adrienne setzte eine geknickte Miene auf und druckste herum. Ich kann nicht. Wissen Sie nicht mehr? Ich habe doch noch was zu erledigen. «
    Obwohl sie ihn darauf vorbereitet hatte, dass sie beim Lunch nicht dabei sein würde, verdrehte Slough die Augen. »Was zu erledigen?«
    Sie wusste, worum es ihm ging: Er wollte mit Ace Johnson nicht zu Mittag essen — nicht allein. Worüber sollten sie reden? Über Asphalt?
    »Es tut mir Leid, aber ... ich habe so viele Überstunden gemacht, dass ich bisher nicht dazu gekommen bin —«
    »Tja, Ace und ich sind sehr enttäuscht.«
    Sie konnte förmlich sehen, wie ihr Aktienkurs fiel, aber sie würde auf keinen Fall ihre Schwester als Entschuldigung benutzen. Und so zuckte sie die Achseln, sagte noch einmal, wie Leid es ihr tat — und ließ die beiden miteinander allein. (Johnson sah hungrig aus. Slough war entgeistert.)
    Das Bestattungsunternehmen Albion lag ziemlich außerhalb — sie hatte es nach dem Alphabet ausgesucht, nicht weil es bequem zu erreichen war —, und der Taxifahrer verfuhr sich. Als sie anderthalb Stunden später wieder in den Konferenzraum kam, trug sie die Urne in einer kleinen Holzkiste unten in einer Einkaufstüte.
    Slough warf einen Blick auf die Tüte, als sie hereingeeilt kam, und zog die Stirn

Weitere Kostenlose Bücher