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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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außerhalb von Wilmington.
    Sie und Nikki hatten dort bei ihrer Großmutter gelebt. Sie erinnerte sich an Gram wirklich, aber nicht sehr gut, und vor allem, so vermutete sie, aus Nikkis Erzählungen. Am besten erinnerte sie sich noch an den Geruch von Grams Zimmer, das reinste Elixier. Eine Mischung aus medizinischen Düften mit dem schwachen Aroma von Kosmetika.
    Gram sprach nie über ihre Tochter und hatte sogar alle Fotos von ihr vernichtet. Das Thema DeeDee Sullivan war tabu. Nach ihr zu fragen endete stets mit Tränen, sodass Adrienne recht früh lernte, ihre Neugier zu zügeln. Nicht so Nikki, die schonungslos versuchte, ihrer Großmutter Informationen zu entlocken, und dafür unweigerlich mit irgendwelchen Verboten und tagelangem Schweigen bestraft wurde.
    Als Gram starb, war Adrienne fast sechs und Nikki elf. Die ersten zwei Monate lebten sie bei einem älteren Ehepaar, das Pflegekinder aufnahm, weil man dafür Geld bekam. Gleich bei ihrer Ankunft wurden ihnen mit einem ätzenden Shampoo gegen Läuse die Haare gewaschen, und sie mussten um acht ins Bett. Von da an durften sie nur noch einmal pro Woche baden und mussten jeden Abend beten. Nikki war untröstlich, weil sie nicht duschen oder sich die Haare waschen konnte, und sagte ihrer Pflegemutter, Mrs. Dunkirk, ins Gesicht, sie sei eine »knickerige Ziege«.
    Anders als Nikki war Adrienne stets brav und folgsam, weil sie hoffte, dass die Dunkirks sie dann beide behalten würden, was sehr viel besser war als die Alternative - die sie nicht kannte und sich auch nicht ausmalen wollte.
    »Die liefern in zwanzig Minuten«, sagte Duran und legte den Hörer auf. »Wenn nicht, ist die Pizza kostenlos.«
    Adrienne nickte, in Gedanken noch immer bei ihrer Schwester und ihrer gemeinsamen Kindheit. Nach den Dunkirks kamen drei andere Pflegeeltern und eine Reihe von kurzen Heimaufenthalten, dann nahmen Deck und Marlena sie auf.
    Genug jetzt, dachte sie. »Ich geh duschen«, sagte sie, während Duran die Fernbedienung auf den Fernseher richtete.
    Die Pizza kam, als Adrienne gerade wieder angezogen war, das Gesicht rot und glänzend vom heißen Wasser. »Tut mir Leid wegen vorhin«, sagte sie zu Duran, als sie ins Zimmer trat.
    Duran blickte sie überrascht an.
    »Mein kleiner Heulanfall«, erklärte sie. »Ich hab bloß ... mal kurz die Nerven verloren.«
    »Ach so, das«, erwiderte er und dachte — denn das war der eigentliche Grund für seine Überraschung —, mein Gott, ist sie schön. Er hatte sie noch nie richtig angesehen, nicht so. Ihr feuchtes Haar hatte die Farbe alter Kupfermünzen und umrahmte ihr Gesicht in kleinen Löckchen. Hastig hob er den Deckel der Pizzapackung und schob sie zu ihr übers Bett, ein Angebot - das beste, was er in diesem Augenblick machen konnte.
    »Sieht gut aus«, sagte sie, nahm sich ein Stück und ging damit zum Schreibtisch am Fenster. Sie setzte sich und fing an, auf dem kleinen Block neben dem Telefon eine Liste zu machen.
1) Arbeit —
a. Kleidung und Make-up
b. Slough anrufen
c. Asphalt-Info in Lexis abfragen
          2) Nikkis Asche
          3) Duran —?
          4)
    Sie saß da und trommelte mit dem Stift auf den Block, während Duran MTV guckte. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass es keine Nummer 4 gab. Unter dem Stichwort »Arbeit« gab es möglicherweise noch d-e-f-g, aber eine Nummer 4 gab es eindeutig nicht. Nur ihr Job, die Asche ihrer Schwester, die darauf wartete, verstreut zu werden, und Duran — der für sich allein schon ein ganzes Alphabet war.
    »Wer ist >Slough    »Meine Kanzlei«, erwiderte sie. »Seien Sie ruhig. Ich muss nachdenken.« Die Finger ihrer linken Hand wippten in der Luft. Unter Duran schrieb sie:
a. Hintergrund — Detektor
          b. Patientenunterlagen
          c. Computer
          d. Patienten —
    Den Detektortest hab ich bestanden«, erklärte er, weil er ihr helfen wollte und sich insgeheim freute, einen so hervorragenden Platz auf ihrer Liste einzunehmen. Sie sah zu ihm auf und nickte.
    »Stimmt«, sagte sie. »Das haben Sie. Ich frage mich nur, wie.« »Da gibt's kein Geheimnis«, konterte er. »Ich habe einfach die Wahrheit gesagt.«
    »Das haben Sie eben nicht. Sie sind nicht Jeffrey Duran — das wissen Sie selbst. Sie waren doch auf dem Friedhof.«
    »Richtig«, sagte Duran. »Das ist wahr, aber ... ich habe da so eine Theorie.«
    »Ach wirklich?«, fragte Adrienne. »Da bin ich aber

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