Gefahr auf High Heels (German Edition)
nicht einmal, bis ich draußen war, bevor ich in ein weiches, klebriges Stückchen Himmel biss. Das Karamell explodierte auf meiner Zunge, und ich schwöre, das Gefühl kam einem Orgasmus sehr nahe.
»Mein Gott, sind die gut!«
Anne zuckte mit den Achseln. »Ich habe sie nicht probiert. Ich mag keine Schokolade.«
Ich erstarrte. »Ernsthaft?« Was? War sie vom Mars?
Sie hob nur wieder die schlanken Schultern. »Ich esse nicht gern Süßes.«
Kein Wunder, dass sie so dürr war. Ich schob den Rest der Schildkröte in den Mund, bezahlte und winkte ihr zum Abschied zu.
Ich schaffte es bis zu meinem Wagen zurück, bevor ich mir ein weiteres Stück gönnte. Okay, in meinem Leben mochte es drunter und drüber gehen, aber mit einem Stück Schokolade im Mund machte es mir etwas weniger aus. Ich lehnte den Kopf zurück an die Kopfstütze und ließ meine Gedanken wandern, während ich die dunkle Schokolade mit der Zunge hin und her rollte.
Das Problem an diesem ganzen Fall war, dass es Motive in Hülle und Fülle gab. Zu viele Motive. Falls Gigi einen Ehevertrag hatte aufsetzen lassen, verlor Spike seine regelmäßige Finanzspritze. Mitsy war für ihr aufbrausendes Temperament bekannt, und so wie sie mich bedroht hatte, konnte ich mir sehr gut vorstellen, dass sie bei Gigi die Nerven verloren hatte. Summerville, nun ja, wer wusste schon, welchen Groll ein Mann gegen seine Ex hegte.
Und dann war da noch Fauston.
Durch das Fenster beobachtete ich, wie Anne die Kekse behutsam in eine rosafarbene Schachtel packte.
Fauston hatte nicht mit der Sprache herausrücken wollen, als wir ihn nach seiner Beziehung zu Gigi gefragt hatten. Aber wenn er schon Summerville nicht mochte, dann lag es nahe, dass ihm die Vorstellung, Gigi könnte einen heißen jungen Rockstar heiraten, noch weniger gefiel. So wenig, dass er sie getötet hatte, um es zu verhindern?
Anne schloss den Deckel der Schachtel und trug dann das leere Blech wieder in die Küche.
Sosehr mir die Fauston-Theorie auch gefiel, sie hatte einen entscheidenden Fehler: Er hatte ein wasserdichtes Alibi. Die Lieferbelege zeigten, dass er zu der Zeit, als Gigi getötet wurde, am anderen Ende der Stadt gewesen war. Da gab es nichts dran zu rütteln.
Seufzend steckte ich mir noch eine Schildkröte in den Mund, als Anne wieder durch die schwingenden Küchentüren kam. Sie nahm die Schürze ab, hängte sie an einen Haken neben der Tür und drehte das Schild so, dass statt: BITTE KOMMEN SIE HEREIN nun: WIR HABEN LEIDER GESCHLOSSEN zu lesen war.
Glücklicherweise hatte ich gerade rechtzeitig meine Dosis Schokolade bekommen. Nie wieder würde ich die positive Wirkung von Schokolade auf ein überstrapaziertes Hirn unterschätzen. Denn als ich so sah, wie Faustons Nichte die rosafarbene Schachtel nahm und wieder im hinteren Teil des Ladens verschwand, kam mir die Erleuchtung.
Anne hatte kein Alibi.
19
Als ich auf das leere Schaufenster der Konditorei starrte, war mir, als würden plötzlich kleine Zahnrädchen ineinandergreifen. Als ich sie nach dem Mordtag befragt hatte, hatte sie gesagt, ihr Onkel habe Bestellungen ausgeliefert. Aber auf die Idee, sie zu fragen, wo sie gewesen war, war ich nicht gekommen. Es wäre für sie das Einfachste der Welt gewesen, das kleine Schild umzudrehen, sodass es GESCHLOSSEN zeigte, die drei Blocks zu Gigi zu fahren, sie abzumurksen und sich wieder in den Laden zu schleichen, ohne dass jemand etwas gemerkt hätte. Weil sie kein Motiv hatte, hatte ich sie nie in Betracht gezogen. Doch ihr Onkel hatte eines. Ich wusste zwar nicht, wie, aber auf einmal war ich mir sicher, dass Fauston seine Nichte angestiftet hatte, Gigi an seiner Stelle abzumurksen, während er mit den Zustellungen beschäftigt war, und sich damit das perfekte Alibi verschaffte.
Ich angelte in meiner Handtasche nach meinem Handy und wählte mit zitternden Fingern Felix’ Nummer.
»Hallo?«
»Felix, ich bin’s.«
»Ich wer?«
»Lass das, es ist ernst. Ich weiß, wer Gigi getötet hat!«
Felix sagte einen Moment lang nichts. Dann: »Gut, lass hören.«
Ich erklärte ihm meine Theorie und dass wir Anne völlig übersehen hatten, obwohl sie die ganze Zeit vor unserer Nase gewesen war. Als ich fertig war, konnte ich ihn schwer atmen hören.
»Ich gebe es ja ungern zu, aber du könntest recht haben. Wo bist du jetzt?«, fragte er.
»Vor Faustons – Oh, Mist.«
»Was ist?«
Ich sah einen großen weißen Van mit der Aufschrift »Faustons Konditorei« hinter dem Haus vorfahren.
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