Gefahrenzone (German Edition)
Ebbitt Grill, das direkt neben dem Weißen Haus lag. Ryan hatte hier oft mit seiner Familie gegessen, als er noch jünger war, und später traf er sich einmal in der Woche mit seinen Freunden dort, als er in Georgetown studierte. An diesem Abend schmeckte es ihm dort so hervorragend wie früher, vielleicht sogar noch besser, da er in Hongkong verständlicherweise keine Zeit gehabt hatte, sich in ein schönes Restaurant zu setzen und ein gutes Essen zu genießen.
Nach dem Dinner fragte er Melanie, ob sie mit ihm nach Columbia komme, und sie willigte mit Freuden ein. Zurück in seiner Wohnung machten sie es sich auf dem Sofa bequem. Sie schauten eine Zeit lang Fernsehen, was bedeutete, dass sie während fünfzig Prozent der eigentlichen Sendungen und hundert Prozent der Werbespots miteinander knutschten.
Gegen elf meinte Melanie, sie müsse einmal auf die Toilette. Sie nahm ihre Handtasche mit. Als sie allein war, holte sie einen USB-Speicherstick mit einer speziellen iPhone-Anschlussbuchse heraus. Das Gerät war nicht größer als eine Streichholzschachtel, und Lipton hatte ihr erklärt, dass sie es nur an Jacks Telefon anschließen müsse, dann werde es das Ortungsprogramm automatisch in etwa dreißig Sekunden hochladen.
Ihre Hände schwitzten, und ein riesengroßes Schuldgefühl drohte sie zu überwältigen.
Sie hatte die ganze letzte Woche Zeit gehabt, darüber nachzudenken und eine Rechtfertigung für ihr Handeln zu finden. Natürlich war ein Positionsanzeiger in seinem Telefon besser als ein ganzes Überwachungsteam, das ihn vierundzwanzig Stunden am Tag beschattete. Da sie außerdem nicht glaubte, dass er in irgendetwas Unethisches, geschweige denn Ungesetzliches verwickelt war, würde diese Überwachung seiner Bewegungen auch zu nichts führen, dessen war sie sich sicher.
Aber in den Augenblicken, wo sie ehrlich zu sich war, gestand sie sich ein, dass sie das Ganze aus reiner Selbsterhaltung tat. Sie würde das keinesfalls tun, wenn ihre Vergangenheit sie nicht bedrohte und dazu zwänge.
»Nimm dich zusammen«, flüsterte sie vor sich hin, steckte den kleinen Stick in die Hosentasche und betätigte die Toilettenspülung.
Ein paar Minuten später saß sie wieder neben Jack auf der Couch. Sie wollte die Ortungsfunktion noch vor dem Schlafengehen aufspielen. Jack hatte einen sehr leichten Schlaf, und sie glaubte keine Sekunde, dass sie auf seine Seite des Bettes schlüpfen und das Gerät anschließen könnte, ohne dass er sofort aufwachte. Im Moment lag sein iPhone neben ihm unter der Lampe des Seitentischchens. Sie musste einfach abwarten, bis er auf die Toilette, in die Küche oder vielleicht auch ins Schlafzimmer ging, um sich seinen Trainingsanzug anzuziehen.
Wie aufs Stichwort stand Jack auf. »Ich mache mir einen Schlummertrunk. Möchtest du auch etwas?«
Ihre Gedanken überschlugen sich. Um was konnte sie ihn nur bitten, das ihn eine Minute lang beschäftigen würde?
»Was holst du dir denn?«
»Einen Maker’s Mark.«
Sie dachte nach. »Hast du einen Baileys Irish Cream?«
»Aber klar doch.«
»Mit Eis, bitte.«
Jack verschwand durch die offene Küchentür, und Melanie beschloss, diesen Moment zu nutzen. Sie würde ja gut hören können, wie er das Eis für ihre Drinks aus dem Kühlschrank holte. Sie wusste, dass er so lange nicht plötzlich im Wohnzimmer auftauchen würde.
Sie hechtete zur anderen Seite der Couch hinüber, schnappte sich das iPhone und zog den FBI-Tracker aus der Hosentasche. Sie steckte die beiden Geräte zusammen, wobei sie die ganze Zeit ihre Augen auf die Küchentür gerichtet hielt.
Dreißig Sekunden. Sie zählte sie im Geist mit, obwohl Lipton ihr erklärt hatte, dass das Gerät sanft vibrieren würde, wenn das Hochladen erfolgreich abgeschlossen war.
Sie hörte, wie sich in der Küche Schranktüren öffneten und schlossen und wie jemand eine Flasche auf die Anrichte stellte.
Mach schon! Sie wollte den verdammten Transfer durch ihre Willenskraft beschleunigen.
Fünfzehn, sechzehn, siebzehn ...
Jack räusperte sich. Es klang, als ob er vor dem Spülbecken stehen würde.
Vierundzwanzig, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig ...
Im Fernsehen begannen die Elf-Uhr-Nachrichten. Die erste Meldung handelte von Navy-Jets, die sich mit chinesischen Kampf fl ugzeugen über der Taiwan-Straße Feuergefechte geliefert hatten.
Melanie schaute zur Küche hinüber. Sie hatte Angst, Jack könnte ins Wohnzimmer zurückeilen, um die Nachrichten nicht zu verpassen.
Dreißig. Sie
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