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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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angerufen, weil Ti’Boo krank war, aber nicht zum Arzt gehen wollte. Stattdessen hatte Ti’Boo den Sohn des Nachbarn gebeten, sie zur Blockhütte eines Traiteurs nach Lafourche zu bringen. Der Heiler hatte ein Gebet für sie gesprochen und ihr dann Kräuter für einen Tee und einen Zauber für unters Bett gegeben.
    Aurore war mit dem nächsten Boot nach Lafourche gekommen.
    Ti’Boo bestand darauf, dass es ihr gut ging, aber Aurore war erschrocken: Ihre Freundin war abgemagert, sodass die Kleider ihr am Körper schlackerten, ihr Haar war dünn und stumpf geworden und ihre Wangen waren eingefallen. Nur ihre dunklen Augen waren noch dieselben.
    „Ti’Boo, du musst zum Arzt!“, sagte Aurore. Sie nahm den Kaffee und stellte fest, dass Ti’Boos Hände zitterten. „Ich werde so lange hierbleiben, bis du bei einem Arzt warst.“
    „Du hast an Hugh gedacht.“
    „Und jetzt denke ich an dich.“
    Ti’Boo beugte sich zum Schaukelstuhl ihrer Freundin hinunter. „Der Arzt kann mir nichts erzählen, das ich nicht schon wüsste, Ro-Ro.“
    „Und was soll das heißen?“
    „Wir werden nicht über mich sprechen. Hugh muss seinen eigenen Weg finden. Du kannst dich da nicht einmischen.“
    „Ich weiß.“
    „Du wirst ihn also nicht aufhalten und ihm erzählen, dass er die Frau nicht heiraten kann?“
    „Nein.“
    Ti’Boo fischte etwas aus den großen Taschen ihres Kittels. „Dann kann ich dir den hier geben. Er kam aus New Orleans. Peli hat ihn mir gerade gebracht.“
    Aurore nahm einen Brief mit bunten Briefmarken ausTi’Boos Hand in Empfang. „Er ist von Hugh.“
    „Ich gehe ins Haus und lasse dich den Brief alleine lesen.“ Aurore legte ihre Hand auf Ti’Boos Arm, um sie zurückzuhalten. Sie dachte daran, wie oft ihr Ti’Boo schon geholfen hatte. Nun war ihre Freundin krank und Aurore benötigte ihre Stärke noch immer. „Nein. Bitte bleib.“
    Ti’Boo lehnte sich zurück. „Ich sehe mir die Boote auf dem Bayou an. Das ist alles, was ich noch tun kann.“
    Aurore riss den Briefumschlag auf. Der Brief hatte schrecklich lange gebraucht, um bei ihr anzukommen. „Er schreibt, es geht ihm gut.“ Sie las den Brief leise zu Ende. Ihre Hände begannen zu zittern. Sie musste ihn mehrmals lesen. Ganz sicher hatte sie ihn beim ersten Mal nicht richtig verstanden.
    „Ro-Ro?“ Ti’Boo nahm ihre Hand. „Stimmt etwas nicht?“
    Aurore begann zu weinen. Und wie so oft seit Aurores Kindheit nahm Ti’Boo sie in den Arm.
    Hugh verstand nicht, weshalb man ihn nach Washington kommandierte. Er hatte ein paar Sabotagevorschläge gemacht, die man inzwischen vielleicht ernst nahm. Doch das Kommando, das ihn mehrere Tage nach Weihnachten erreicht hatte, klang kryptisch. Er sollte für eine Konferenz mit seinen Vorgesetzten in die USA zurückkehren und er sollte nichts Wichtiges zurücklassen.
    Stattdessen hatte er nichts Wichtiges mitgenommen. Nicky und Phillip waren sein Leben und immer noch in Marokko. Falls man ihm eine wichtige Position an einem Ort anbieten würde, wo er sie nicht mit hinnehmen konnte, würde er ablehnen. Vielleicht hatte er sich genügend ausgezeichnet, um für ein höheres Amt in Betracht zu kommen, aber seine Fähigkeiten wurden in Afrika immer noch gebraucht. Er war sicher, dass er seine Vorgesetzten davon überzeugen konnte.
    Hugh war erst ein Mal in Washington gewesen; damals war er noch ein Schuljunge. Auf ein Kind wirkte diese Stadt überwältigend. Inzwischen erschien sie ihm chaotisch. Trotz der Benzinrationierungenwaren die Straßen voller Autos und überall schwärmten Menschen aus den Büros. Da es keine freien Hotelzimmer mehr gab, übernachtete er in einer Jugendherberge.
    Das Büro, wo das Treffen stattfinden sollte, befand sich in einem wenig beeindruckenden Gebäude in der Nähe des Kapitols.
    Nicky war erschüttert gewesen, als er sich verabschiedet hatte, aber er wusste nicht, was der Grund dafür war. Er hatte ihr versichert, dass der Frachter, der ihn zurückbringen würde, sicher vor U-Boot-Angriffen sei und dass er in einem Monat wieder zurück sei. Sie hatten ihre Weihnachtsgeschenke in der Nacht vor seiner Abreise ausgetauscht. Er hatte ihr einen Berberteppich aus feinster marokkanischer Wolle geschenkt. Wolle sollte angeblich Glück bringen; die Berber knüpften sich deshalb Wollfäden ins Haar. Hugh hatte Nicky versprochen, dass ihnen der Teppich Glück bringen würde. Er hatte sie gebeten, an ihn zu denken, wenn sie über den Teppich ging – und den Teppich dahin zu legen,

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