Gefahrliches Vermachtnis
zu Hause geblieben.“
Sie fiel in sich zusammen. Er zog sie an sich und küsste ihr Haar und die Stirn. „Du hattest recht. Jeder von uns wusste, dass Verhaftungen oder Schlimmeres möglich waren, Dawn. Und egal, wie viel Angst wir alle hatten, wir wären trotzdem dorthin gegangen.“
„Aber als alles vorbei war, hast du mir die Schuld gegeben.“
„Und nachdem ich darüber nachgedacht hatte und mich von dem Schock der Ereignisse und von Annies Geständnis erholt hatte, wusste ich, dass ich einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.“
„Das glaube ich dir nicht.“
„Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, habe ich ständig bei dir angerufen, aber …“
„Ich hatte New Orleans verlassen.“ Sie reckte das Kinn. „Ich habe gepackt und bin nach Onkel Hughs Beerdigung nach New York geflogen. Bis dahin hattest du nicht angerufen, und ich war sicher, dass du mich nie wieder anrufen würdest. Ich habe alles abgeklappert, bis sich ein paar Magazine meine Fotos ansehen wollten.“
„Und dann hast du das Land verlassen.“
„Was machte das schon aus? Du hast das Schlimmste von mir gedacht.“
„Du hast selbst das Schlimmste von dir gedacht.“
Sie wollte es leugnen, aber Ben hatte recht. Sie war nicht wegen Bens Verrat weggegangen. Sein Verrat wog nur wenig im Vergleich zu ihren eigenen Gewissensbissen.
„Du hast Pater Hugh nicht umgebracht“, sagte er. „Und dieKugel landete auch nicht wegen deiner Entscheidung in meiner Schulter. Du hast keinen von uns verraten!“
Ihre Lippen öffneten sich zu einem Protest, der schließlich ausblieb. Ben küsste sie. Er wollte ihre Zweifel ausräumen. Er wollte ihr zeigen, dass er ihr vertraute. Sein Glauben an sie war schon vor Langem wieder zurückgekehrt, aber er war bisher noch nicht dazu in der Lage gewesen, es ihr zu zeigen.
Es war ein schwüler, heißer Abend, genau wie der, an dem ihr Onkel gestorben war. Ben hielt sie fest, wie er Pater Hugh nicht hatte festhalten können. „Es tut mir leid“, wiederholte er wieder und wieder.
„Schhhh.“ Sie berührte seine Wangen und sie schmiegten sich aneinander. Er spürte, wie ihre Sanftheit seinen Schmerz linderte, und hielt sie fest umschlungen.
Ben erinnerte sich nicht genau an den Moment, in dem Trost sich in Leidenschaft verwandelte. In eine Leidenschaft, die schon immer da gewesen war. Er schmeckte ihre salzige Haut und versank in ihrem Haar. Er genoss das köstliche Vergnügen, das ihre Hände auf seiner Haut entfachten, und fragte sich, wie er so lange ohne sie hatte leben können.
Dann sanken sie auf den Boden, genau an dem Ort, an dem Aurores Geheimnisse ans Licht gekommen waren. Und als Dawn schließlich ruhig in Bens Armen lag, spürte er instinktiv, dass nun ein weiteres Geheimnis gelüftet worden war.
30. KAPITEL
R egentropfen trommelten aufs Dach, während Dawn in Bens Armen den heftiger werdenden Regengeräuschen lauschte. Ihre Angst wuchs.
Sie hatten sich, überwältigt von einem wilden, unerklärlichen Verlangen, auf dem Teppich geliebt. Dawns Erleichterung darüber war so groß gewesen, dass sie wenige Augenblicke lang glaubte, es sei möglich, noch einmal von vorne anzufangen.
Dann hatte der Regen begonnen.
Sie vergrub sich in Bens Armen und schlang ihre Beine um seine, damit er sie nicht verlassen konnte. Seine Hände berührten ihre samtweiche Haut, als ob er die vergangenen Minuten noch einmal zurückholen wollte. Sie fragte sich, ob ihm bewusst war, dass das Ende noch immer irgendwo auf sie lauerte.
Ganz allmählich nahm sie etwas mehr als nur den Regen wahr. Es war sehr schwül im Zimmer. Der Teppich rieb an ihrer nackten Haut. Bens Körper hatte sich im letzten Jahr verändert. Eine Narbe zeichnete seine Schulter an der Stelle, wo die Kugel eingetreten war, eine Narbe, die ihm für immer bleiben würde.
„Habe ich dir wehgetan?“ Zärtlich zeichnete er Kreise auf ihre Haut, während er sprach.
„Wolltest du mir wehtun?“
„Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich hatte vorher noch nie so ein Verlangen.“
Dawn verstand. Auch sie wollte mit ihm verschmelzen. Nicht nur für einige Minuten, sondern für immer. Sie wollte ein Teil von ihm werden und um ein Haar hätte sie es sogar für möglich gehalten. Das machte ihr Angst. Sie befreite sich aus seiner Umarmung und richtete sich auf.
Er half ihr mit ungeschickten Fingern beim Anziehen, und offensichtlich hatte er noch nicht genug von ihr, das bewies er mit jeder Berührung. Doch als sie
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