Gefahrliches Vermachtnis
wenige Geld, das sie dort verdiente, reichte kaum für Phillip und sie. Sie zogen in eine kleine Dachgeschosskammer in einer heruntergekommenen Gegend auf dem Montmartre, weil die Miete nur halb so hoch war wie für Clarence’ alte Wohnung. Doch trotz des Umzugs schwand das Geld dahin, und Nickys Besorgnis wuchs.
Eines Abends, sie hatte Phillip schon ins Bett gebracht, durchsuchte sie ein paar Kisten, die sie unter dem Dach verstaut hatte. Die erste enthielt Bücher, die nicht so aussahen, als seien sie viel wert. In der zweiten Kiste fand sie Schals und Handtaschen. Nicky betrachtete eine silberne Tasche und erinnerte sich an die Nacht, als sie sie zum letzten Mal benutzt hatte. Es war die Nacht, als sie die Warnung für Gerard gesungen hatte.Sie öffnete die Tasche und starrte auf einen Zettel, der immer noch in der Tasche steckte. Dann schloss sie die Tasche, schaute in Clarence’ Zigarrenkiste und zählte ihr restliches Geld.
In der folgenden Nacht passte die Witwe aus der Nachbarwohnung auf Phillip auf. Nicky drückte ihn an sich, bevor sie ihn der Frau überließ. Er lächelte, als ob er Nicky Glück wünschte. Ihr eigenes Lächeln strahlte weit weniger Selbstvertrauen aus.
Sie hatte sich den Tag freigenommen, um das Kleid, das sie trug, umzunähen. Clarence hatte es ihr zum neunzehnten Geburtstag geschenkt. Es war aus goldener Spitze und mit Pailletten bestickt. Es war aufsehenerregend, aber der Ausschnitt zu sittsam und der Rock zu lang. Nun umschmeichelte es ihre Beine verführerisch. Sie trug Armreife und an ihren Ohrläppchen baumelten glitzernde Ohrringe. Nicky hatte ihre Lippen knallrot bemalt und Rouge aufgetragen.
Mit ihrem letzten Geld bezahlte sie ein Taxi, das sie zu einer Adresse in der Nähe der berühmten Folies Bergère brachte. Bruno Brunet schien nicht besonders überrascht zu sein, von ihr zu hören. Als sie den Klub betrat, wartete er schon auf sie. Sie lächelte lustlos.
„Ah, ich hätte es kaum zu hoffen gewagt!“, begrüßte er sie und rückte einen Stuhl für sie zurecht. „Sehr charmant.“
Sie schaute sich in seinem Nachtklub um, der größer und luftiger war, als sie gedacht hatte. Sie wäre nicht hierhergekommen, wenn sie nicht so verzweifelt gewesen wäre. Nicky wusste, dass das Brunets ein Ort war, wo arbeitende Männer nach Frauen Ausschau hielten. Weder Amerikaner noch wohlhabende Franzosen würden sich hierher verirren. Die Paare auf der Tanzfläche bewegten sich langsam zu den Tönen eines langweiligen Quintetts, das exakt nach Noten spielte. Vielleicht bezahlte Brunet die Tänzer, damit es belebter aussah.
„Über welche Summe sprechen wir?“, fragte sie. „Ich habe keine Lust, meine Zeit zu verschwenden.“
„Ich bezahle so viel wie die boulangerie.“ Er machte einekleine Pause. „Aber ich bezahle pro Nacht, was du sonst in einer Woche verdienst.“
Sie erhob sich langsam, um ihre verführerische Anmut besser zur Geltung kommen zu lassen. Es überraschte sie nicht, dass er Nachforschungen angestellt hatte. „Sie wissen ein paar Dinge über mich. Na und? Das heißt, dass Sie Interesse haben.“
„Habe ich. Doch was genau willst du mir verkaufen?“ Er packte ihren Arm, um sie am Weggehen zu hindern. Seine Finger gruben sich in ihr Fleisch.
„Was immer Sie wollen“, sagte sie und schaute an ihm hinunter. „Aber ich verkaufe es den Leuten, die kommen, um mir zuzuhören. Ihnen werde ich niemals etwas verkaufen, Brunet.“ Sie bewegte sich auf die leeren Tische zu. „Ich verkaufe Sex, aber nur in meiner Musik. Ich werde so heiß singen, dass sich Ihre schmalzigen Haare kringeln, und dieser Klub wird aus allen Nähten platzen. Aber falls Sie mich jemals anfassen, verlasse ich diesen Klub sofort.“
Er ließ sie los und zuckte mit den Achseln. „Zu dumm. Ich hätte vielleicht mehr gezahlt.“
„Sie werden mehr bezahlen! In sechs Wochen wird Ihr Laden brummen. Ich nehme dafür, was ich in der Bäckerei verdiene, aber nicht pro Nacht, sondern pro Stunde. Und ich möchte ein Prozent Beteiligung an jeder Flasche Champagner, die Sie verkaufen.“
„Sechs Wochen?“ Er hob die Brauen.
„Falls ich so lange hierbleibe.“
„Wenn meine Gäste dich nicht mögen, wirst du nicht mal eine Woche bleiben.“
„Ich brauche eine richtige Band. Kein noch so guter Sänger kann das hier ausgleichen.“ Sie nickte zur Bühne.
„Du kannst dir eine eigene Band zusammenstellen, falls ich mich dazu entschließe, dich zu engagieren.“
„Ach ja?“
„Ich muss
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