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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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meine Erinnerung auffrischen.“
    „Kein Problem.“
    Er deutete auf die Bühne.
    Als die Band mit ihrer Nummer fertig war, stellte Nicky sich den Musikern vor, die sich nicht im Mindesten für sie zu interessieren schienen – nicht einmal, als sie ihnen erklärte, was für sie auf dem Spiel stand und dass sie eine Band brauchen würde, wenn sie diesen Job bekam. Stattdessen beklagten die Herren sich darüber, dass sie ihren Song nicht kannten, bis sie ihnen ein paar Takte vorsummte. Schließlich nickte der Pianist missmutig und die anderen hoben ihre Instrumente.
    Sie stellte sich vor die Musiker und wartete auf das Intro. Als die Band fertig war, drehte Nicky sich um. „ Assez! Genug!“, sagte sie auf Französisch. „Spielt gefälligst richtig und in der richtigen Tonart, oder ich schwöre euch, ich zeige euch eigenhändig, wie das geht!“
    Einen Augenblick lang glaubte sie, die Musiker würden die Bühne verlassen. Der Pianist brummte leise vor sich hin. Doch dann begannen sie erneut – und überraschten Nicky.
    „Gut“, lobte sie lächelnd. „Sehr, sehr gut.“
    Das Publikum achtete nicht auf die Musik. Zwei Paare hatten nicht aufgehört, sich auf der Tanzfläche zu bewegen. Sie hingen so dicht aufeinander, dass man sie nur chirurgisch hätte voneinander trennen können. Ein Mann mit Baskenmütze saß in der ersten Reihe und hatte seine Hand zwischen den Beinen platziert.
    Nicky schluckte ihren Unmut herunter und holte tief Luft. Dann begann sie mit den ersten Zeilen von „Someone to watch over me“, legte viel Gefühl in jedes einzelne Wort. Sie mochte den Song, aber es war ihre Interpretation, der ihn zu etwas Besonderem machte.
    Sie sang mit bewusster Sinnlichkeit und schwang ihre Hüften verführerisch im Rhythmus der Musik. Der Mann mit der Baskenmütze massierte sich den Schwanz und verdrehte begeistert die Augen.
    Sie dachte an Clarence, den besten Ragtime- und Jazzpianisten seiner Generation. Clarence hätte sein Talent niemalsprostituiert. Doch dann dachte sie an Phillip und drückte ihre Brüste noch etwas provokativer heraus.
    Als sie fertig war, hatte der Mann mit der Baskenmütze seinen Höhepunkt erreicht. Die Band hatte fast gut geklungen, und Bruno Brunet signalisierte ihr, ihm ins Büro zu folgen.

9. KAPITEL
    B en fand Dawn am späten Nachmittag in der garconnière, obwohl sie ihn nicht darum gebeten hatte. Die Tür war geschlossen, aber der Türknauf bewegte sich, als er daran drehte. Sie saß im Lotossitz auf dem Boden und sichtete den Inhalt eines alten Schranks. In dem Raum war es trotz der geöffneten Fenster sehr heiß.
    „Woher wusstest du, wo ich bin?“, fragte sie. „Oder bist du nur hier, um selbst ein bisschen herumzuschnüffeln?“
    „Ich erinnerte mich an eine Frau, die ich mal gekannt habe. Sie zog sich immer zurück, um ihre Wunden alleine zu lecken. Ich glaube nicht, dass du dich so verändert hast, wie du behauptest.“
    „Welche Wunden sollte ich denn lecken?“
    „Das ist doch offensichtlich. Deine Familie bricht vor deinen Augen auseinander.“
    „Das ist ja hochinteressant.“ Sie hob den Kopf, warf ihm einen kurzen Blick zu und setzte ihre Arbeit fort.
    „Glaubst du die Geschichte, die Phillip dir erzählt hat?“
    „Hab ich das gesagt?“ Sie schüttelte den Kopf. „Du hast deinen journalistischen Instinkt verloren, Ben! Macht tut so etwas mit den Menschen: Sie lässt sie glauben, etwas zu verstehen, was sie nicht verstehen.“
    „Was glaubst du?“
    „Ich glaube an Gott, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Ich glaube, dass Nicky meine Tante ist, und an eine Welt ohne Ende. Amen.“
    „Hast du mit ihr gesprochen?“
    „Sie hat mir ein Medaillon gezeigt, dass Aurore ihr als Kind geschenkt hat. Aber sie wusste nicht, dass Grandmère ihre Mutter war. Bis heute.“
    Ben registrierte eine leichte Unsicherheit in ihrer Stimme. „Und was hältst du davon?“
    Sie türmte die Fotos in zwei Stapeln vor sich auf, bevor sie ihm antwortete. „Ist das jetzt die Stelle, wo mein versteckterRassismus zum Vorschein kommen sollte? Was willst du von mir hören? Dass ich erschüttert bin, weil ich mit einer schwarzen Frau verwandt bin? Ich sag dir die Wahrheit, und du kannst damit machen, was du willst: Es ist mir eine ungeheuer große Ehre, dass Nicky meine Tante ist. Phillip als Cousin zu haben, könnte eine Herausforderung werden, aber die nehme ich gerne an.“
    Ben durchquerte das Zimmer und kauerte sich neben sie. „Hör zu, ich bin nicht hier, um

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