Gefahrliches Vermachtnis
war von grauen Strähnen durchzogen, ihre einst so glatte Haut faltig. Doch in ihrem Herzen war sie manchmal immer noch achtzehn und rannte dem Leben mit offenen Armen entgegen und dem einzigen Mann, den sie je geliebt hatte. Und dann dachte sie an nichts anderes als an das Glück, dass sie einander schenkten.
Sie rannte und rannte, aber sie erreichte ihn doch nie. Sie spürte niemals, wie er sie in seine Arme zog. Sie fand niemals ihren Frieden.
„Ach, so hast du das immer gemacht!“, sagte Ferris und betrachtete die Dachrinne neben Hughs Fenster. „Ich hätte nicht gedacht, Hap, dass du so mutig bist.“
Hugh stürzte sich auf ihn, und sie kugelten sich lachend am Boden, während sie versuchten, sich gegenseitig unterzukriegen. Hugh war immer noch einen halben Kopf größer als Ferris, aber sein Bruder wog mehr als er. Hugh war unglaublich dünn, Ferris unglaublich stämmig. In den vergangenen Jahren hatten sie begriffen, dass sie sich trotz ihres unterschiedlichen Aussehens ebenbürtig waren.
Hugh schaffte es, Ferris auf den weichen Boden zu drücken, aber er wusste, dass es vermutlich das letzte Mal war. „Onkel!“, forderte er nach Luft schnappend. „Sag Onkel!“
„Tante. Tante Hap!“Hugh drückte ihn fester zu Boden. „Onkel. Und nie wieder diesen Hap-Mist, verstanden?“
„Onkel!“
„Wurde auch Zeit.“ Hugh rollte sich von Ferris herunter, bis er schließlich neben ihm lag und den Sternenhimmel betrachtete.
Ferris stützte sich auf den Ellbogen. „Was meinst du, was der alte Val jetzt macht?“
„Noch mehr Babys?“
„Du denkst wie ein Mann. Wieso willst du eigentlich Priester werden?“
Hugh schlug halbherzig nach ihm. „Ti’Boo hat mir ein Foto seiner kleinen Tochter gezeigt. Gut, dass sie wie ihre Mutter aussieht und nicht wie Val.“
„Wer will denn schon Vater werden? Er ist wie alt – dreiundzwanzig? Ich werde nicht heiraten und ich werde auch keine Kinder haben. Es gibt zu viele gut gebaute Mädchen da draußen, die alle die Nacht mit mir verbringen wollen.“
„Was bist du doch für ein geiler kleiner Rammler!“
„Hey, sprich nicht von Dingen, die du nicht kennst!“ Ferris machte eine Pause. „Hast du es schon mal gemacht, Hap? Bringen sie euch Mädchen ins Priesterseminar, damit ihr schon mal einen Vorgeschmack darauf bekommt, was ihr später alles vermissen werdet?“
Hugh boxte ihm in die Seite. „Komm, wir gehen an den Strand.“
„Ich hab Bier und Ti’Boo hat ein paar Krabben für morgen gekocht. Soll ich sie mitbringen?“
„Du bringst es sowieso mit, egal, was ich dazu sage.“
„Aber“, Ferris imitierte die Stimme ihres Vaters, „ich stamme aus einer alten Familie aus New Orleans, und deshalb frage ich immer höflich, bevor ich genau das mache, was ich will.“
„Okay. Ich könnte einen Schluck vertragen.“
„Weißt du, was dein Problem ist?“, fragte Ferris in seiner normalen Tonlage. „Du bist immer damit beschäftigt, allen zugefallen. Wenn du einen Drink haben willst, dann nimm dir einen. Was geht es Mutter an?“
„Wir haben einen Vater, der zu viel trinkt. Wir sollten ihr zusätzliche Sorgen ersparen.“
„Du willst immer zu viel.“ Ferris setzte sich auf und wischte sich Piniennadeln und Blätter vom Hemd.
„Ich hol das Zeug. Und dann renn ich dich in Grund und Boden.“
„Meine Beine sind länger.“
„Meine muskulöser.“
Das Wettrennen auf dem sandigen Weg verlief unentschieden, obwohl Hugh sich weigerte, es zuzugeben. Ferris war sehr athletisch, aber abgesehen von vier Jahren Fußballtraining bei den Jesuiten machte er keinen Sport.
Am Strand musterte Hugh seinen Bruder, der nicht einmal außer Atem zu sein schien. Ferris sah aus wie immer. Er wirkte nie unbeholfen oder unsicher, sondern immer nur wie Ferris.
Frauen fanden Hugh gut aussehend. Das hatte er oft genug gehört, seit er erwachsen war. Wenn sie von seiner Berufung erfuhren, versuchten sie, ihn davon abzubringen. Wenn Gott gewollt hätte, dass Hugh ihm diente, hätte er einen Engel aus ihm gemacht, sagten sie.
Niemand fand Ferris gut aussehend. Seine Gesichtszüge waren zu ungleichmäßig; nichts an ihm wirkte fein. Aber er besaß Charisma und eine besondere Art, die Mädchen in Bann zu ziehen, sie aber genauso schnell wieder abzuschieben, was dazu führte, dass sie ihn erst recht anziehend fanden. Er brach keine Herzen, sondern sorgte dafür, dass sie aus dem Rhythmus gerieten.
„Du willst also tatsächlich nach Frankreich?“, fragte Ferris.
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