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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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mit einem – Messer – und …« Ich blieb stecken. Mein Blick glitt einen Augenblick zur Küchentür. Dann begegnete er ihrem wieder. »Ich … Das ist schon seltsam, oder nicht? Mit all diesen – plötzlichen Todesfällen, im Zusammenhang mit – den Harpers.«
    Sie sah mich hart an. »Soso. Und weiter?«
    »Ja – also, ich habe mit Anita Solheim gesprochen, und ich dachte, daß vielleicht du was wüßtest von – diesen Dingen.«
    »Du hast mit Anita gesprochen?«
    Ich nickte.
    »Hat sie dich zu mir geschickt?«
    Ich nickte wieder.
    Sie schüttelte traurig den Kopf, sah sich suchend im Zimmer um und sagte: »Warum sollte ich was wissen? Ich hab’ weder Arild noch einen von den anderen mehr gesehen seit Mitte der 70er Jahre.«
    »Seit 1975?«
    »Seit dem 16. Oktober 1975, ja!« stieß sie leidenschaftlich hervor.
    »So exakt weißt du den Zeitpunkt noch?« sagte ich verblüfft.
    »Jaja. Das hat Anita doch wohl auch gesagt, oder etwa nicht?«
    »Nein, ich … Das hat sie nicht. Nicht so genau.«
    »Aber sie hat dir erzählt, was passiert ist, oder? Wer dabei gewesen ist?«
    Ich versuchte zu bluffen. »Doch, natürlich. Aber – ich hätte gern deine Version gehört.«
    »Meine Version? Ich war ja nicht dabei. Ich hab’ es nur von Anita, und sogar sie …«
    »Ja?«
    »Sie war ausgegangen. Die Mädchen hatten einen Babysitter. Sie kamen von einem Auftritt, stimmt’s? Sie waren angetörnt, stimmt’s? – Bier und Schnaps und sicher auch ein paar Joints. Zu Johnny nach Hause – so richtig in Fahrt, stimmt’s?«
    »Aber wo war Anita?«
    »Anita? Sag, mal, wieviel hat sie dir eigentlich erzählt? Ich hab’ doch gesagt, die Mädchen hatten einen Babysitter, und sie ist gegangen, als sie begriff, was Sache war. Sie ist nur gerade eben noch rausgekommen, hat sie mir hinterher erzählt.«
    »Und wer war alles dabei?«
    »Das weißt du!«
    Ich zählte demonstrativ an den Fingern ab. »Sämtliche Harpers?«
    Sie nickte.
    »Jakob, Johnny, Arild und Harry. – Noch mehr?«
    »Nein. Doch …« Sie sah mich fragend an. »Dieser Schulfreund, den sie getroffen hatten. Er war zufällig da und hat sie gehört, wo sie gespielt haben, und dann …« Sie unterbrach sich und sah mich mißtrauisch an. »Aber weißt du was? Ich fang’ an zu glauben, daß du schlichtweg überhaupt nichts davon weißt – daß du nur bluffst.«
    »Nein, nein. Ich …«
    »Dann erzähl mal – was weißt du von Arild?«
    »Arild? Er – ist in Verftet aufgewachsen, ging auf Nordnes zur Schule von 1950 bis ’57, später in Tanks. Dann wurde er Lehrer, war in Haakonsvern, ging zur Uni und schrieb – für die Zeitung. Ich kannte ihn gut. Ich kannte sie alle. Ich bin auch mit ihnen zur Schule gegangen.«
    Sie sah mich höhnisch an, war aber deutlich beeindruckt.
    »Und du? Wann hast du Arild kennengelernt?«
    Sie sah zum Fenster, hinaus in die wirkliche Welt. »Es war Tanz, und sie spielten hier draußen, an einem Samstagabend. Ich – wurde eingeladen, mit auf eine Fete zu kommen, hinterher. Sie übernachteten im Jugendheim, im Kellerraum. Wir – lernten uns kennen. Arild und ich. Danach waren wir zusammen. Ich zog in die Stadt, und wir hatten ein paar schöne Jahre, sprachen vom Heiraten. Arild stellte mich schon immer als ›seine Verlobte‹ vor. Aber dann war Schluß.«
    »Am 16. Oktober 1975?«
    »Jaa! Ich konnte nicht leben mit – so was. Ich hab’ immerhin eine – ordentliche Erziehung gehabt.« Sie bewegte sich unruhig und schielte zum dunklen Vorhang hinüber.
    »Dann erzähl mir, was passiert ist!«
    »Red mit Anita. Sie weiß es.«
    »Ja. Und sie ist bald die einzige.« Wieder zählte ich an den Fingern ab. »Harry ist tot, Arild, Johnny … Findest du das nicht auffällig?«
    »Doch.« Sie schluckte. »Aber vielleicht gerecht.«
    »War es so ernst?«
    »Ja.«
    »So ernst, daß du jeden Kontakt zu Arild abgebrochen hast, von dem Tag an.«
    Sie zuckte mit den Schultern und nickte. Mit halberstickter Stimme sagte sie: »Ja. Ich habe einen Zettel auf den Tisch gelegt, meine Sachen gepackt, bin zur Arbeit gegangen und hab’ gekündigt an dem Tag, nahm das Schiff hier raus und …« Sie sah sich um. »Mutter und Vater lebten noch. Ich konnte bei ihnen wohnen.«
    »Und du hast ihn nie wiedergesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und er? Hat er nicht versucht, Kontakt aufzunehmen?«
    »Arild?« Ihr Gesicht verdunkelte sich. »Nach dem, was ich gehört habe, hat er schnell eine andere – Verlobte – gefunden. Anita hat erzählt …«

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