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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine Verbitterung, die er entdeckt hatte, während er sich im Orbit des Verfalls um sich selbst befand. Oder es war ein überlebendes Fragment des Granitblocks, der er einmal gewesen war. Er würde nicht einfach so nachgeben.
    Hinter meinem Rücken spannte ich vorsichtshalber eine Hand.
    Unvermittelt fiel sein aufrechter Unterarm auf den Schreibtisch wie ein gesprengter Turm, und das Dokument wehte aus seinen Fingern. Meine Hand stieß vor und fing das Papier an der Tischkante auf, bevor es zu Boden segeln konnte. Der Kommandant gab einen trockenen Kehllaut von sich.
    Eine Weile blickten wir beide auf die Hand, die lautlos das Papier hielt, dann sackte der Kommandant wieder in seinem Sessel zusammen.
    »Sergeant«, bellte er heiser.
    Die Tür ging auf.
    »Sergeant, holen Sie Wardani aus Kuppel achtzehn und bringen Sie sie zum Shuttle des Lieutenants.«
    Der Sergeant salutierte und ging. Die Erleichterung, dass ihm die Entscheidung abgenommen worden war, breitete sich wie die Wirkung einer Droge auf seinem Gesicht aus.
    »Vielen Dank, Kommandant.« Ich salutierte ebenfalls, steckte die Vollmacht ein und wandte mich zum Gehen. Ich hatte die Tür fast erreicht, als er wieder sprach.
    »Eine begehrte Frau«, sagte er.
    Ich drehte mich um. »Wie bitte?«
    »Wardani.« Er beobachtete mich mit einem Funkeln in den Augen. »Sie sind nicht der Erste.«
    »Der Erste wobei?«
    »Vor weniger als drei Monaten.« Während er redete, erhöhte er die Stromstärke im linken Arm, und sein Gesicht zuckte. »Da hatten wir es hier mit einem kleinen Überfall zu tun. Kempisten. Sie schalteten die Wachmaschinen aus und gelangten hinein. Eine technische Meisterleistung, wenn man bedenkt, welcher Standard in dieser Gegend üblich ist.« Sein Kopf neigte sich träge über die Rückenlehne seines Sessels, und ihm entfuhr ein langer Seufzer. »Erstaunlich. Wenn man bedenkt. Sie kamen ihretwegen.«
    Ich wartete, dass er weitersprach, doch dann rollte sein Kopf leicht zur Seite. Ich zögerte. Unten im Lager blickten zwei der Soldaten misstrauisch zu mir auf. Ich ging zum Schreibtisch zurück und nahm den Kopf des Kommandanten in beide Hände. Das menschliche Auge war weiß, die Pupille schwebte am Rand des oberen Lids wie ein Ballon, der an der Decke eines Raums entlangtrieb, in dem die Party schon längst vorüber war.
    »Lieutenant?«
    Der Ruf kam von draußen, von der Treppe. Ich warf noch einen letzten Blick auf das ertrunkene Gesicht. Der Mann atmete flach durch halb geöffnete Lippen, und der Mundwinkel schien im Ansatz eines Lächelns gekräuselt zu sein. Am Rand meines Gesichtsfeldes blinkte das rote Licht.
    »Lieutenant?«
    »Ich komme.« Ich ließ den Kopf zurückfallen, trat in die Hitze hinaus und schloss die Tür behutsam hinter mir.
    Schneider saß auf einer vorderen Landekufe, als ich zurückkehrte, und unterhielt eine Horde heruntergekommener Kinder mit kleinen Zaubertricks. Ein paar Uniformierte beobachteten ihn aus der Ferne im Schatten der nächsten Ballonkammer. Er blickte auf, als ich mich näherte.
    »Gab’s ein Problem?«
    »Nein. Sehen Sie zu, dass Sie diese Kinder loswerden.«
    Schneider hob nur eine Augenbraue und führte seinen Trick ohne besondere Eile zu Ende. Als Finale zog er ein kleines Memoryeffekt-Spielzeug aus Plastik hinter dem Ohr jedes Kindes hervor. Sie sahen in ehrfürchtigem Schweigen zu, als Schneider ihnen demonstrierte, wie die Figuren funktionierten. Man drückte sie platt, stieß einen lauten Pfiff aus und konnte zusehen, wie sie amöbengleich wieder ihre frühere Gestalt annahmen. Ein Genlabor sollte endlich einmal solche Soldaten entwickeln. Die Kinder waren völlig fasziniert. Etwas so Unzerstörbares hätte mir als Kind Albträume bereitet. Obwohl ich eine schwere Jugend gehabt hatte, war sie ein dreitägiger Ausflug in die Arkaden im Vergleich zum einem Leben auf diesem Planeten.
    »Sie tun ihnen keinen Gefallen, wenn Sie den Eindruck erwecken, dass Menschen in Uniform gar nicht so übel sind«, sagte ich leise.
    Schneider warf mir einen seltsamen Blick zu, dann klatschte er in die Hände. »Das war’s, Jungs. Verschwindet. Die Show ist vorbei.«
    Die Kinder zogen ab, aber sie verließen diese kleine Oase des Spaßes und der Geschenke nur widerstrebend. Schneider verschränkte die Arme und blickte ihnen mit undurchschaubarer Miene nach.
    »Woher haben Sie diese Dinger?«
    »Hab sie im Laderaum gefunden. Bei den Hilfslieferungen für Flüchtlinge. Ich schätze, das Lazarett, von dem wir dieses

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