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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sun gegenüber diese Tatsache erwähnte, zuckte sie nur die Achseln. Ich war nicht der Einzige, der eine irrationale Abgeklärtheit empfand, wie es schien.
    »Macht Ihnen überhaupt irgendetwas Sorge?«, fragte ich sie.
    »Die allgemeine Lage?« Sie schien einen Moment darüber nachzudenken. »Ich glaube, ich war schon in größerer Gefahr.«
    »Natürlich. Sie waren tot.«
    »Sicher. Aber das habe ich nicht gemeint. Die Nanosysteme machen mir Sorge, aber selbst wenn Matthias Hands Befürchtungen berechtigt sind, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie sich zu etwas entwickeln, das die Nagini vom Himmel holen könnte.«
    Ich dachte an die Grashüpferroboter, die Hand erwähnt hatte. Es war eins von vielen Details, die er nicht an das übrige Team weitergeben wollte, als er sie über das OPURN-System informiert hatte.
    »Weiß Ihre Familie, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen?«
    Sun sah mich überrascht an. »Natürlich. Mein Vater hat mir eine militärische Laufbahn empfohlen. Es war eine gute Gelegenheit, ein bezahltes Systemtraining zu bekommen. Sie haben immer Geld, hat er zu mir gesagt. Entscheide dich einfach, was du tun willst, dann bezahlen sie dich dafür. Natürlich kam es ihm niemals in den Sinn, dass es hier zum Krieg kommen könnte. Wer hätte das vor zwanzig Jahren erwartet?«
    »Stimmt.«
    »Und Ihre?«
    »Was? Mein Vater? Keine Ahnung. Ich habe ihn mit acht Jahren zum letzten Mal gesehen. Vor fast vierzig Jahren subjektiver Zeit. Objektiv über anderthalb Jahrhunderte.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Das braucht Ihnen nicht Leid zu tun. Mein Leben hat sich radikal verbessert, als er daraus verschwand.«
    »Glauben Sie nicht, dass er jetzt stolz auf Sie wäre?«
    Ich lachte. »O ja. Absolut. Er war schon immer ein großer Anhänger von Gewalt, mein Alter. Er hatte Jahreskarten für die Wettkämpfe. Natürlich hatte er selbst nie eine richtige Ausbildung genossen, also hielt er sich lieber an hilflose Frauen und Kinder.« Ich räusperte mich. »Egal. Auf jeden Fall wäre er stolz auf das, was ich aus meinem Leben gemacht habe.«
    Sun schwieg eine Weile.
    »Und Ihre Mutter?«
    Ich wandte den Blick ab und versuchte mich zu erinnern. Der Nachteil des fotografischen Envoy-Gedächtnisses war, dass Erinnerungen an die Zeit vor der Konditionierung vergleichsweise verschwommen und unvollständig wirkten. Man entfernte sich immer schneller davon, wie in der Beschleunigungsphase eines Starts. Damals war es für mich ein sehr angenehmer Effekt gewesen. Jetzt war ich mir nicht mehr sicher. Ich konnte mich nicht mehr erinnern.
    »Ich glaube, sie war zufrieden, als ich mich rekrutieren ließ«, sagte ich langsam. »Als ich in Uniform nach Hause kam, hielt sie eine Teezeremonie für mich ab. Hat alle Nachbarn eingeladen. Ich schätze, sie war stolz auf mich. Und das Geld war bestimmt hilfreich. Sie hatte drei Mäuler zu stopfen – mich und zwei jüngere Schwestern. Sie gab sich alle Mühe, nachdem mein Vater nicht mehr da war, aber wir waren immer pleite. Als ich mit der Grundausbildung fertig war, haben wir über ein dreimal so hohes Einkommen verfügt. Auf Harlans Welt bezahlt das Protektorat seine Soldaten ziemlich gut – weil es in scharfer Konkurrenz zur Yakuza und den Quellisten steht.«
    »Weiß sie, dass Sie hier sind?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich war zu oft fort. Envoys werden überallhin abkommandiert, außer auf ihre Heimatwelt. So besteht weniger Gefahr, dass man unerwünschte Sympathien für die Menschen entwickelt, die man töten soll.«
    »Ja.« Sun nickte. »Die übliche Vorsichtsmaßnahme. Klingt sinnvoll. Aber Sie sind kein Envoy mehr. Sind Sie nie nach Hause zurückgekehrt?«
    Ich grinste humorlos.
    »Dort könnte ich höchstens eine kriminelle Karriere starten. Wenn man die Envoys verlässt, hat man nicht mehr allzu viel Auswahl. Und zu diesem Zeitpunkt war meine Mutter bereits mit einem anderen Mann verheiratet, einem Rekrutierungsoffizier des Protektorats. Eine Familienwiedervereinigung schien mir… unpassend.«
    Sun sagte eine ganze Weile gar nichts. Sie schien den Strand unter uns zu beobachten und auf etwas zu warten.
    »Friedlich hier, nicht wahr?«, sagte ich, um irgendetwas zu sagen.
    »Auf einer bestimmten Wahrnehmungsebene.« Sie nickte. »Natürlich nicht auf dem zellularen Level. Hier wird ein offener Kampf ausgetragen, den wir verlieren werden.«
    »Recht so, muntern Sie mich auf.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »’tschuldigung. Aber an Frieden zu denken fällt

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