Gefallene Engel
er?«
Jedes Gespräch verstummte, stürzte ab wie der einzige bewaffnete Luftangriff, den Konrad Harlan jemals gegen Millsport führte. Zerschossen vom Rattern der Dose und der plötzlichen Stille, als sie sich in Schneiders Faust befand.
Seiner rechten Faust. Seine leere linke Hand war etwas zu langsam, als sie eine Waffe ziehen wollte – wenige Sekundenbruchteile, nachdem ich die Kalaschnikow auf ihn gerichtet hatte. Er sah es und erstarrte.
»Nicht«, sagte ich zu ihm.
Neben mir spürte ich, wie Vongsavath vorsichtig nach dem Stunner in ihrer Tasche tastete. Ich legte meine freie Hand auf ihren Arm und schüttelte leicht den Kopf. Und legte etwas Envoy-Überzeugungskraft in meine Stimme.
»Das ist nicht nötig, Ameli.«
Sie ließ den Arm wieder in den Schoß fallen. Ein peripherer Scan verriet mir, dass sich alle anderen ebenfalls abwartend verhielten. Sogar Wardani. Ich entspannte mich ein wenig.
»Wann kommt er hierher, Jan?«
»Kovacs, ich habe nicht den leisesten Schimmer, wovon…«
»O doch. Wann kommt er hierher? Oder haben Sie kein Interesse mehr daran, zwei Hände benutzen zu können?«
»Wer?«
»Carrera. Wann kommt er, Jan. Ihre letzte Chance.«
»Ich weiß nicht…« Schneiders Stimme kippte unvermittelt in einen lauten Schrei um, als die Interface-Waffe ein Loch in seine Hand stanzte und die Dose, die er immer noch darin hielt, in Metallsplitter zerfetzte. Blut und Amphetamin-Cola spritzten – und hatten seltsamerweise fast die gleiche Farbe. Ein paar Tropfen benetzten Tanya Wardanis Gesicht, und sie zuckte heftig zurück.
Kein Popularitätswettbewerb.
»Was ist los, Jan?«, fragte ich behutsam. »Lassen die Endorphinreaktionen des Sleeves, den Carrera Ihnen gegeben hat, zu wünschen übrig?«
Wardani war aufgesprungen und wischte sich das Gesicht ab. »Kovacs, er ist…«
»Sagen Sie mir nicht, dass es derselbe Sleeve ist, Tanya. Sie hatten Sex mit ihm, jetzt und vor zwei Jahren. Sie müssten es wissen.«
Sie schüttelte benommen den Kopf. »Die Tätowierung…«, flüsterte sie.
»Die Tätowierung ist neu. Nagelneu, obwohl sie aus Illuminium ist. Er hat sie erneuern lassen, zusammen mit ein paar anderen kosmetischen Operationen, die zum Paket gehörten. Ist das richtig, Jan?«
Das Einzige, was Schneider von sich gab, war ein gequältes Stöhnen. Er hielt seine zerstörte Hand von sich gestreckt und starrte sie ungläubig an. Blut tropfte auf den Boden.
Ich fühlte mich nur müde.
»Ich schätze, Sie haben es vorgezogen, sich an Carrera zu verkaufen, um dem virtuellen Verhör zu entgehen«, sagte ich, während ich weiterhin peripher die Reaktionen der anderen im Auge behielt. »Das kann ich Ihnen eigentlich gar nicht verübeln. Und falls man Ihnen einen neuen Kampf-Sleeve angeboten hat, maßgeschneidert und mit voller Strahlungs- und Chemieresistenz – nun, es gibt heutzutage nicht viele solche Angebote auf Sanction IV. Und niemand weiß, wie viele schmutzige Bomben in nächster Zeit von beiden Seiten abgeworfen werden. Ja, ich hätte ein solches Angebot angenommen.«
»Haben Sie dafür irgendwelche Beweise?«, fragte Hand.
»Abgesehen von der Tatsache, dass er als Einziger von uns allen noch nicht grau geworden ist, meinen Sie? Schauen Sie ihn an, Hand. Er hält sich besser als die Maori-Sleeves, die genau für diese Scheiße gebaut wurden.«
»Das würde ich nicht als Beweis bezeichnen«, sagte Deprez nachdenklich. »Aber merkwürdig ist es schon.«
»Der Mistkerl lügt!«, presste Schneider zwischen den Zähnen hervor. »Wenn hier jemand für Carrera ein doppeltes Spiel treibt, dann Kovacs. Um Samedis willen, er ist ein Wedge-Lieutenant!«
»Fordern Sie das Schicksal nicht heraus, Jan.«
Schneider sah mich wieder mit funkelnden Augen an, während er leise vor Schmerzen stöhnte. Ich glaubte zu hören, wie die Singzinnen auf der anderen Seite der Plattform es aufnahmen.
»Geben Sie mir einen Verband, verdammt«, bettelte er. »Irgendwer.«
Sun griff nach ihrem Pack. Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Zuerst wird er uns sagen, wie viel Zeit uns noch bleibt, bis Carrera durch das Tor kommt. Wir müssen bereit sein.«
Deprez zuckte die Achseln. »Wenn wir es wissen, sind wir dann nicht schon bereit?«
»Nicht für Wedge.«
Wardani ging wortlos zu Sun hinüber und griff sich das Verbandspaket vom Haftfaser-Holster am Oberkörper der Frau. »Geben Sie es mir. Wenn die Idioten in Uniform es nicht tun wollen, dann tue ich es eben.«
Neben Schneider ging sie in die Knie
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