Gefallene Engel
es sich an der Decke zu einer gerundeten Spitze zusammenschloss. Auf beiden Seiten waren zwei Meter Platz, genug, um sich unter die Lippe zu kauern. Der Traum eines Heckenschützen.
Deprez schob sich in die Deckung auf der linken Seite und stellte die Sunjet aufrecht neben sich. Ich hockte mich neben Vongsavath.
»Es klang, als wäre etwas heruntergefallen«, murmelte die Pilotin. »Aber nicht in dieser Kammer. Vielleicht in der nächsten.«
»Gut.« Ich spürte, wie das Neurachem kalt an meinen Gliedmaßen entlangglitt und mein Herz befeuerte. Gut zu wissen, dass unter der scheinbar alles durchdringenden Müdigkeit der Strahlenverseuchung die Systeme immer noch funktionierten. Und nachdem ich so lange Schatten gejagt, gegen gesichtslose Nanobenkolonien und die Geister der Toten – menschlicher wie nichtmenschlicher – gekämpft hatte, war die Aussicht auf ein echtes Gefecht beinahe eine Freude.
Bitte »beinahe« streichen. Ich spürte tatsächlich, wie sich ein freudiges Gefühl in meinen Eingeweiden ausbreitete, wenn ich daran dachte, jemanden zu töten.
Deprez nahm eine Hand von der Projektionsrampe seiner Sunjet und legte sie ans Ohr.
Diesmal hörte ich es auch – aus der Kammer kam ein verstohlen schlurfendes Geräusch. Ich zog auch die zweite Interface-Waffe und zog mich ganz in die Deckung zurück. Die Envoy-Konditionierung drückte den letzten Rest der Anspannung aus meinen Muskeln und wandelte sie in sprungbereite Reflexe um, die unter oberflächlicher Ruhe warteten.
Etwas Blasses bewegte sich auf der anderen Seite der Kammer. Ich atmete ein und nahm es ins Visier.
Jetzt geht es los.
»Sind Sie da, Ameli?«
Schneiders Stimme.
Ich hörte, wie Vongsavath fast im gleichen Augenblick wie ich zischend den Atem ausstieß. Sie stand auf.
»Schneider! Was machen Sie hier? Ich hätte Sie beinahe erschossen!«
»Wie außerordentlich freundlich von Ihnen!« Schneider trat vor die Öffnung und stieg hindurch. Seine Sunjet baumelte nachlässig an der Schulter. »Wir kommen herbeigeeilt, um Sie zu retten, und zum Lohn für unsere Mühen schießen Sie uns über den Haufen.«
»Ist es ein weiterer Archäologe?«, fragte Hand, der Schneider in die Kammer folgte. Er hielt unpassenderweise einen Blaster in der rechten Hand. Es war das erste Mal, dass ich den Konzernmitarbeiter mit einer Waffe sah. Das Bild wirkte falsch. Es zerstörte seine Sitzungssaalaura. Es war inadäquat, ein Riss in der Fassade, ähnlich wie echte Kampfszenen in einem Rekrutierungsspot von Lapinee deplatziert gewesen wären. Hand war nicht der Mann, der selber Waffen einsetzte. Zumindest keine so direkten und schmutzigen wie einen Partikelblaster.
Außerdem steckt noch ein Stunner in seiner Tasche.
Die vor kurzem zur Kampfbereitschaft hochgefahrene Envoy-Konditionierung zuckte unbehaglich.
»Schauen Sie ihn sich selbst an«, sagte ich und verbarg meine Unruhe.
Die beiden Neuankömmlinge überquerten die freie Fläche mit einem blasierten Mangel an Vorsicht, bei dem meine Kampfnerven aufschrien. Hand stützte sich mit den Händen auf dem unteren Rand des Tunneleingangs ab und starrte auf die Leiche. Sein Gesicht war, wie mir plötzlich auffiel, aschfahl durch die Strahlenkrankheit. Seine Haltung wirkte leicht verkrampft, als wüsste er nicht genau, wie lange er sich noch aufrecht halten konnte. In seinem Mundwinkel zuckte ein Muskel – etwas, das ich nicht an ihm bemerkt hatte, als wir durch die Andockschleuse eingestiegen waren. Neben ihm strotzte Schneider geradezu vor Gesundheit.
Ich trat den Funken der Sympathie aus. Willkommen im Club, Hand. Willkommen auf dem dreckigen Bodenniveau von Sanction IV.
»Er trägt einen Raumanzug«, sagte Hand.
»Gut beobachtet.«
»Woran ist er gestorben?«
»Wir wissen es nicht.« Wieder durchströmte mich eine Welle der Erschöpfung. »Und um ehrlich zu sein, ich bin im Moment nicht in der Stimmung für eine Autopsie. Lassen Sie uns einfach die Boje installieren und dann verschwinden.«
Hand warf mir einen seltsamen Blick zu. »Wir müssen ihn mitnehmen.«
»Dann können Sie mir dabei helfen.« Ich kehrte zur Leiche zurück und hob ein Bein auf. »Schnappen Sie sich den anderen Fuß.«
»Sie wollen ihn ziehen?«
»Wir, Hand. Wir werdenihn ziehen. Ich glaube nicht, dass er noch irgendwelche Einwände hat.«
Wir brauchten eine gute Stunde, um die Leiche durch die quälend engen Röhren und schiefen Kammern des marsianischen Raumschiffs zur Nagini zu schleppen. Die meiste Zeit
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