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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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erstirbt, abfließt.
    »Also später«, erwidere ich und halte erneut die Hände über das Feuer. Der Wind drückt gegen meinen Rücken.
    »Wovon redest du?« Das angehängte Lachen klingt genauso gezwungen. Ich lächle matt. Es weckt einen alten Schmerz, der jedoch etwas seltsam Tröstendes hat.
    »Ich gehe jetzt. Hier gibt es nichts mehr für mich.«
    »Du willst gehen?« Auf einmal klingt seine Stimme hässlich. Zwischen Daumen und Zeigefinger hält er den Stack hoch, der im Feuerschein rot schimmert. »Du wirst nirgendwohin gehen, meine Wolfsrudelwelpe. Du bleibst hier bei mir. Wir müssen noch ein paar Rechnungen begleichen.«
    Diesmal bin ich es, der lacht.
    »Verschwinde endlich aus meinem Kopf, Semetaire.«
    »Du. Wirst.« Eine Hand streckt sich knorrig über das Feuer zu mir. »Bleiben.«
    Dann ist die Kalaschnikow in meiner Hand, schwer mit einem vollen Magazin Antipersonenmunition. Wer hätte das gedacht?
    »Ich muss jetzt gehen«, sage ich. »Ich werde Hand von dir grüßen.«
    Er reckt sich empor, besitzergreifend, mit glitzernden Augen.
    Ich lasse die Waffe sinken.
    »Du bist gewarnt worden, Semetaire.«
    Ich schieße in die Lücke unter dem Hutrand. Drei Schüsse, dicht beieinander.
    Es treibt ihn zurück, wirft ihn in den Sand, ganze drei Meter hinter dem Feuer. Ich warte einen Moment ab, um zu sehen, ob er wieder aufsteht, aber er ist fort. Die Flammen nehmen zeitgleich mit seinem Verschwinden sichtlich ab.
    Ich blickte auf und sehe, dass das kreuzförmige Gebilde leer ist, was immer das zu bedeuten hat. Ich erinnere mich an das tote Gesicht, das dort hing, und gehe vor dem Feuer in die Hocke, um mich zu wärmen, bis es zu schwelender Glut heruntergebrannt ist.
    In der Asche entdecke ich den kortikalen Stack, von den Flammen gesäubert, metallisch glänzend, zwischen den letzten verkohlten Holzstücken. Ich greife zu und nehme ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, genauso wie Semetaire ihn gehalten hat.
    Er versengt mich ein bisschen, aber das ist in Ordnung.
    Ich stecke ihn und die Kalaschnikow ein, schiebe meine sich rasch abkühlenden Hände in die Jackentasche, richte mich auf und blicke mich um.
    Es ist kalt, aber irgendwo muss es einen Weg geben, der von diesem verfluchten Strand wegführt.



Stellt euch den Tatsachen. Dann handelt danach. Das ist das einzige Mantra, das ich kenne, die einzige Doktrin, die ich euch anzubieten habe. Aber sie ist schwieriger zu befolgen, als ihr glaubt, weil Menschen darauf programmiert zu sein scheinen, das Gegenteil zu tun. Stellt euch den Tatsachen. Verlasst euch nicht auf Gebete, verlasst euch nicht auf Wünsche, verlasst euch nicht auf jahrhundertealte Dogmen und leblose Rhetorik. Gebt nicht eurer Konditionierung nach oder euren Visionen oder eurem verkorksten Gefühl für… was auch immer. STELLT EUCH DEN TATSACHEN. DANN handelt.
     
    Quellchrist Falconer,
Rede vor dem Angriff auf Millsport

 
36
     
     
    Nächtlicher Sternenhimmel, kristallklar.
    Ich blickte dumpf eine Zeit lang hinauf und beobachtete ein merkwürdig fragmentiertes rotes Leuchten, das sich vom linken Rand meines Gesichtsfeldes über den Himmel bewegte und dann wieder zurück.
    Das sollte eine Bedeutung für dich haben, Tak.
    Wie ein Code, der in der Art und Weise steckte, wie sich das Leuchten am Rand meines Gesichtsfeldes zerstreute, wie es ganz leicht nach oben und nach unten abwich.
    Wie Glyphen. Wie Ziffern.
    Dann hatte es plötzlich eine Bedeutung für mich, und ich spürte, wie mir am ganzen Körper kalter Schweiß ausbrach, als ich erkannte, was es war.
    Das rote Leuchten war ein Display, das auf der gewölbten Sichtscheibe des Raumanzugs dargestellt wurde, unter dem ich gefangen war.
    Verdammt, das ist kein Nachthimmel, Tak.
    Ich war draußen.
    Dann schlug das Gewicht der Erinnerung, meiner Persönlichkeit und meiner Vergangenheit auf mich ein wie ein Mikrometeorit, der durch die dünne transparente Versiegelung drang, die schützend mein Leben umhüllte.
    Ich schlug mit den Armen um mich und stellte fest, dass ich mich von den Handgelenken aufwärts nicht bewegen konnte. Meine Finger ertasteten einen starren Rahmen unter meinem Rücken und das schwache Vibrieren eines Motorsystems. Ich verdrehte den Kopf.
    »Er kommt zu sich.«
    Es war eine vertraute Stimme, selbst durch die leichte metallische Verzerrung des Anzugkomsystems. Jemand anderer gluckste blechern.
    »Überrascht es dich etwa?«
    Mein Anwesenheitsgespür vermittelte mir eine Bewegung auf meiner rechten Seite. Über

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