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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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»In den medizinischen Berichten heißt es, dass Sie alle die Symptome eines schweren Betäubungsbeschusses aufweisen, mit Ausnahme von Ihnen und Sun.«
    »Ja, Sun hat sich selbst erschossen. Wir…« Mit einem Mal erschien es mir unmöglich, es zu erklären. Als würde man versuchen, ohne Hilfe eine schwere Last zu schultern. Die letzten Augenblicke im marsianischen Sternenschiff, gehüllt in den strahlenden Schmerz dessen, was die Besatzung zurückgelassen hatte. Die Gewissheit, dass diese außerirdische Qual uns zerstören würde. Wie sollte man das einem Mann erklären, der einen nicht nur in Shalai Gap durch wütenden Geschützhagel zum Sieg geführt hatte. Wie sollte man die eiskalt brennende, diamantenklare Realität dieser Momente vermitteln?
    Realität? Der plötzliche Zweifel rüttelte grob an mir.
    War es Realität gewesen? Und nicht nur das. War die waffenstarrende, schmutzige Realität, in der Isaac Carrera lebte, überhaupt noch real? War sie es jemals gewesen? Wie viel von dem, woran ich mich erinnerte, waren eindeutige Tatsachen?
    Nein. Ich besitze die totale Erinnerung der Envoys…
    War es wirklich so schlimm gewesen? Ich blickte in das Datengitter und versuchte erschöpft, meine rationale Denkfähigkeit aufzurufen. Hand hatte es heraufbeschworen, ich hatte es geradezu panisch aufgegriffen. Hand, der Hougan. Hand, der religiöse Fanatiker. Wann hatte ich ihm je weiter getraut, als ich ihn hätte werfen können?
    Warum hatte ich ihm damals vertraut?
    Sun. Ich hielt mich an den Tatsachen fest. Sun hatte Bescheid gewusst. Sie sah es kommen, und sie hat sich lieber das Hirn weggepustet, als sich alldem zu stellen.
    Carrera betrachtete mich mit einem merkwürdigen Ausdruck.
    »Ja?«
    Du und Sun…
    »Einen Moment.« Jetzt dämmerte es mir. »Sie sagten, außer Sun und mir!«
    »Ja. Alle anderen weisen das übliche elektroneurale Trauma auf. Durch einen schweren Betäubungsschuss.«
    »Aber ich nicht.«
    »Nein.« Er sah mich verwirrt an. »Sie haben nichts abbekommen. Wieso? Erinnern Sie sich daran, dass jemand auf Sie geschossen hat?«
     
    Als wir fertig waren, glättete er das Display des Datengitters mit schwieliger Hand und führte mich durch die leeren Korridore des Kampftransporters nach draußen in das nächtliche Raunen des Lagers. Wir sprachen kaum miteinander. Angesichts meiner Verwirrung hatte er auf eine Fortsetzung der Nachbesprechung verzichtet. Wahrscheinlich konnte er nicht fassen, dass er einen seiner Lieblingsenvoys in einem solchen Zustand erlebte.
    Auch mir fiel es verdammt schwer, es zu glauben.
    Sie hat auf dich geschossen. Du hast den Stunner fallen gelassen, und sie hat dich und dann sich selbst erschossen. Sie muss es getan haben.
    Andernfalls…
    Ich erschauderte.
    Auf einer freien Sandfläche an der Heckseite der Angin Chandras Tugend errichteten die Männer gerade das Gerüst für Sutjiadis Exekution. Die Stützpfeiler standen bereits, tief in den Sand eingegraben und bereit, die geneigte, mit Ablaufrinnen versehene Schlachtplattform aufzunehmen. Unter der Beleuchtung dreier Angier-Lampen und der Flutlichter an der aufgeklappten Heckluke des Kampftransporters wirkte das Gebilde wie eine Klaue aus gebleichten Knochen, die sich vom Strand erhob. Die Einzelteile des Anatomisators lagen in der Nähe, wie die Segmente einer Wespe, die jemand zerhackt hatte.
    »Der Krieg verändert sich«, sagte Carrera im Plauderton. »Kemps Kräfte auf diesem Kontinent sind fast erschöpft. Wir haben seit Wochen keinen Luftangriff mehr erlebt. Er benutzt die Eisberg-Flotte, um seine Armeen entlang der Wacharin-Meerenge zu evakuieren.«
    »Kann er die Küste nicht mehr halten?« Ich stellte die Frage, ohne darüber nachzudenken, ein Echo der Aufmerksamkeit während zahlloser Einsatzbesprechungen in der Vergangenheit.
    Carrera schüttelte den Kopf. »Keine Chance. Es ist eine Schwemmebene, die sich hundert Kilometer weit nach Süden und Osten erstreckt. Dort kann er sich nirgendwo eingraben, und er hat nicht die nötige Hardware, um Feuchtbunker zu errichten. Das bedeutet, keine langfristige Verschanzung, keine netzunterstützten Waffensysteme. Geben Sie mir sechs Monate Zeit, dann werde ich ihn mit Amphibienpanzern vom gesamten Küstenstreifen vertreiben. Noch ein Jahr, dann können wir die Chandra über Indigo City parken.«
    »Und was dann?«
    »Wie bitte?«
    »Und was dann? Wenn Sie Indigo City eingenommen haben, wenn Kemp jeden brauchbaren Vermögenswert zerbombt, vermint oder zerblastert hat

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