Gefallene Engel
in einem Tempo, das hauptsächlich von Hands Schuhen diktiert wurde. Anfangs hatte keiner von uns etwas zu sagen, und die einzigen Geräusche waren die leisen Eindrücke, die unsere Füße im nachgiebigen Boden hinterließen, und das träge Schwappen des Meeres. Plötzlich sagte Hand: »Bemerkenswerte Frau.«
Ich brummte.
»Ich meine, wer ein Internierungslager der Regierung ohne offensichtliche Dauerschäden überlebt… So etwas schafft man nur mit immenser Willenskraft. Und dass sie sich jetzt schon wieder mit den Problemen der Interpretation von Technoglyphen auseinander setzt…«
»Sie schafft das schon«, sagte ich knapp.
»Ja, davon bin ich überzeugt.« Eine heikle Pause. »Ich kann verstehen, warum Schneider so sehr auf sie abfährt.«
»Ich glaube, das ist vorbei.«
»Ach, wirklich?«
In seiner Stimme schwang ganz leichte Belustigung mit. Ich warf ihm einen Seitenblick zu, aber seine Miene war ausdruckslos, und er sah bedacht aufs Meer hinaus.
»Was die militärische Einschätzung betrifft, Hand…«
»Ach ja.« Der Mandrake-Mitarbeiter blieb ein paar Meter vor den sanften Kräuselungen der Wasseroberfläche stehen, die auf Sanction IV als Wellen galten, und drehte sich um. Er deutete auf die Landschaft, die sich hinter uns hob und senkte. »Ich bin kein Soldat, aber ich möchte wetten, dass das hier kein ideales Gelände für einen Kampf ist.«
»Gut erkannt.« Ich musterte den Strand in ganzer Länge und suchte vergeblich nach etwas, das meine Stimmung aufheitern konnte. »Wenn wir einmal hier sind, geben wir eine prächtige Zielscheibe für jeden ab, der auf einer Anhöhe steht und mit etwas Besserem als einem Stock bewaffnet ist. Hier hat man freies Schussfeld bis zu den Hügelketten.«
»Und dann wäre da noch das Meer.«
»Richtig, das Meer«, wiederholte ich düster. »Wir können von jedem angegriffen werden, der schnell eine Kampfeinheit zusammenstellen kann. Wir würden hier eine kleine Armee brauchen, die uns Deckung gibt, während wir beschäftigt sind. Es sei denn, wir können das Ganze mit einem kurzen Erkundungsvorstoß erledigen. Anfliegen, Bilder schießen, wegfliegen.«
»Hmmm.« Matthias Hand ging in die Hocke und starrte nachdenklich über das Wasser. »Ich habe mit den Anwälten geredet.«
»Haben Sie sich anschließend desinfiziert?«
»Nach den Bestimmungen der Gründungscharta ist der Besitzanspruch auf ein Artefakt im Weltraum außerhalb des Orbits nur dann gegeben, wenn eine voll funktionsfähige Boje in maximalem Abstand von einem Kilometer von besagtem Artefakt installiert wird. Es gibt keine Schlupflöcher, wir haben alles genau durchgesehen. Wenn sich ein Sternenschiff auf der anderen Seite dieses Tors befindet, werden wir hindurchgehen und es markieren müssen. Und nach dem, was Wardani sagt, dürfte das einige Zeit beanspruchen.«
Ich zuckte die Achseln. »Also eine kleine Armee.«
»Eine kleine Armee dürfte ziemlich viel Aufmerksamkeit erregen. Für die Satellitenüberwachung wäre sie so auffällig wie der Busen einer Holohure. Und das können wir uns eigentlich nicht leisen, oder?«
»Den Busen einer Holohure? Ich weiß nicht, die Operation dürfte gar nicht so teuer sein.«
Hand legte den Kopf schief, um mich eine Weile anzustarren, dann stieß er widerwillig ein Glucksen aus. »Sehr witzig. Vielen Dank. Wir können es uns nicht leisten, von den Satelliten bemerkt zu werden, nicht wahr?«
»Nicht, wenn Sie einen Exklusivanspruch erheben möchten.«
»Ich denke, das versteht sich von selbst, Lieutenant.« Hand zeichnete müßig mit den Fingern ein Muster in den Sand. »Also. Wir müssen mit einer kleinen Gruppe reingehen, die nicht allzu viel Lärm macht. Was wiederum bedeutet, dass diese Region für die Dauer unseres Besuchs von Truppen frei sein sollte.«
»Wenn wir lebend herauskommen wollen, ja.«
»Ja.« Überraschend ließ sich Hand nach hinten kippen, bis er im Sand saß. Er legte die Unterarme auf die Knie und schien ganz darin aufzugehen, den Horizont nach etwas abzusuchen. Im dunklen Geschäftsanzug und mit dem weißen Kragen wirkte er wie eine Zeichnung aus der Schule der Absurdisten von Millsport.
»Was meinen Sie, Lieutenant?«, sagte er schließlich. »Vorausgesetzt, wir können die Halbinsel räumen lassen, was wäre dann die Untergrenze für ein Unterstützungsteam für diese Unternehmung? Wie viele Leute brauchen wir mindestens?«
Ich dachte darüber nach. »Wenn es gute Leute sind, Spezialisten, nicht nur Schläger auf
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