Gefallene Engel
mir gerade sympathisch genug, um mit ihm zurechtzukommen. Wenn er versucht, uns reinzulegen, habe ich kein Problem damit, ihm eine Patrone durch den Stack zu jagen. Meinen Sie, dass ich damit genügend Distanz habe?«
Wardani tippte auf das Gehäuse des Scramblers. »Sie sollten beten, dass dieses Ding nicht verwanzt ist. Wenn Hand Ihnen zuhört…«
Ich griff an ihr vorbei nach Schneiders Glas, das er nicht ausgetrunken hatte. »Wenn er es tut, dürfte er eine ähnliche Meinung von mir haben. In diesem Sinne, Prost, Hand, falls Sie mich hören können. Auf das Misstrauen und die gegenseitige Abschreckung.«
Ich kippte den Rum hinunter und stellte das Glas umgekehrt auf den Scrambler. Wardani verdrehte die Augen.
»Großartig. Die Politik der Verzweiflung. Das hat mir gerade noch gefehlt.«
»Was Ihnen fehlt«, sagte ich gähnend, »ist etwas frische Luft. Wollen wir zum Turm zurückspazieren? Wenn wir jetzt losgehen, müssten wir es bis zur Ausgangssperre schaffen.«
»Ich dachte, mit dieser Uniform wäre das kein Thema.«
Ich blickte auf die schwarze Jacke und befingerte den Stoff. »Ja, möglicherweise, aber im Augenblick sollten wir kein unnötiges Aufsehen erregen. Und wenn wir auf eine automatische Patrouille stoßen, nun, Maschinen sehen solche Angelegenheiten manchmal etwas engstirnig. Wir sollten kein Risiko eingehen. Also, was meinen Sie? Gehen wir?«
»Wollen Sie Händchen halten?« Die Frage war als Scherz gedacht, aber sie klang ganz anders. Wir standen auf und gerieten plötzlich in die Privatsphäre des anderen.
Wir stolperten unbeholfen hinein wie ein überraschend auftauchender Betrunkener.
Ich drehte mich um und drückte meine Zigarette aus.
»Klar«, sagte ich, im Bemühen, die Situation aufzulockern. »Da draußen ist es ziemlich dunkel.«
Ich steckte den Scrambler ein und klaute mit der gleichen Handbewegung meine Zigaretten zurück, aber meine Worte hatten die Anspannung nicht zerstreut. Sie hing immer noch wie das Nachbild eines Laserschusses in der Luft.
Da draußen ist es ziemlich dunkel.
Draußen liefen wir nebeneinander, die Hände sicher in den Hosentaschen vergraben.
12
In den oberen drei Stockwerken des Mandrake-Turms befanden sich Wohnungen für die leitenden Angestellten. Von unten war der Zugang gegen Unbefugte gesichert, und darüber lag ein Dachkomplex aus Gärten und Cafés. Ein variabel regulierbarer Energieschirm, der sich zwischen Pylonen an der Brüstung spannte, sorgte dafür, dass die Sonne während des ganzen Tages hell und warm war, und in dreien der Cafés konnte man zu jeder Tageszeit frühstücken. Wir trafen um die Mittagszeit ein und arbeiteten uns noch immer durch die letzten Reste unserer Mahlzeit, als ein tadellos gekleideter Hand uns aufsuchte. Falls er unsere Attacken auf seinen Charakter in der vergangenen Nacht mitgehört hatte, schien es ihn nicht sehr verstört zu haben.
»Guten Morgen, Madame Wardani. Meine Herren. Ich hoffe, Ihr gestriger Streifzug durch die Stadt hat das Sicherheitsrisiko gerechtfertigt.«
»Es gab interessante Momente.« Ich spießte mit der Gabel ein weiteres Dim-Sum-Päckchen auf, ohne einen meiner Gefährten anzusehen. Wardani hatte sich ohnehin hinter ihre Sonnenlinsen zurückgezogen, seit sie Platz genommen hatte, und Schneider brütete angestrengt über dem Bodensatz in seiner Kaffeetasse. Das Gespräch war bislang alles andere als lebhaft verlaufen. »Setzen Sie sich, und bedienen Sie sich.«
»Vielen Dank.« Hand klinkte einen Stuhl aus und nahm Platz. Als ich ihn etwas genauer inspizierte, fiel mir auf, dass er um die Augen herum leicht übermüdet aussah. »Ich habe bereits gegessen. Madame Wardani, die primären Komponenten Ihrer Hardware-Liste sind eingetroffen. Ich habe Sie in Ihre Suite bringen lassen.«
Die Archäologin nickte und wandte ihr Gesicht der Sonne zu. Als offensichtlich wurde, dass keine weitergehende Reaktion von ihr zu erwarten war, richtete Hand seine Aufmerksamkeit wieder auf mich und zog fragend eine Augenbraue hoch. Ich schüttelte leicht den Kopf.
Fragen Sie nicht.
»Gut. Außerdem ist alles für die Rekrutierung bereit, Lieutenant. Wenn Sie…«
»Ich komme.« Ich spülte das Dim Sum mit einem kleinen Schluck Tee hinunter und stand auf. Die Atmosphäre am Tisch ging mir allmählich auf die Nerven. »Gehen wir.«
Niemand sagte etwas. Schneider blickte nicht einmal auf, doch Wardanis schwarze Sonnenlinsen verfolgten meinen Weg über die Terrasse wie das leere Gesicht des
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