Gefallene Sonnen
bleiben noch einige Tage, bis alles für deine Mission bereit ist, und dann müssen wir eine Gruppe von Hydrogern für deinen Kommunikationsversuch finden.«
»Ich habe tausende von ihnen in der Durris-Sonne kämpfen sehen.«
Yazra’h schüttelte ihre Mähne aus kupferrotem Haar. »Dein Schiff ist nicht für solche ambientalen Bedingungen geschaffen. Komm, ich zeige dir die Kugel, die dich tief in die Atmosphäre eines Gasriesen bringen wird.«
Sie führte Osira’h zu einem Hangar, wo Techniker und Arbeiter den Bau eines seltsamen neuen Schiffs beendeten. Der Rumpf bestand aus schweren transparenten Panzerplatten. Das Innere bot nicht viel Platz, aber Osira’h brauchte auch nicht viel Bewegungsspielraum.
»Diese Kugel wird dich vor dem Druck schützen, aber nicht unbedingt vor den Hydrogern. Der Rest hängt von dir ab.« Yazra’h gab ihr einen ermutigenden Klaps auf den Rücken. »Bestimmt gelingt es dir, einen Kontakt herzustellen, kleine Schwester. Du bist zu Dingen imstande, die sonst niemand fertig bringen kann.«
Osira’h widersprach nicht. Sie trat vor, um die durchsichtige Kugel aus der Nähe zu betrachten, berührte sie mit den Fingerspitzen. »Ja, das stimmt.«
Osira’h nahm alle Details in sich auf und speicherte sie in ihrem sorgfältig organisierten Bewusstsein, als sie versuchte, möglichst viel über den Prismapalast und die Ildiraner herauszufinden, deren Schutz ihre Mission galt. Sie beobachtete, schätzte ein und lernte.
Im Gegensatz zu anderen Ildiranern war sie mit einer großen Bürde geboren. Der Designierte Udru’h hatte jede Gelegenheit genutzt, um sie daran zu erinnern, welche Erwartungen er in sie setzte. Immer wieder hatte er sie darauf hingewiesen, dass er von ihren Fähigkeiten überzeugt war.
Doch nachdem er Osira’h im Prismapalast der Obhut des Weisen Imperators übergeben hatte, war er ohne ein weiteres Wort nach Dobro zurückgekehrt. Dort wollte er seine Arbeit fortsetzen, für den Fall, dass Osira’h ihrer Aufgabe nicht gerecht wurde.
Sie mauerte ihre Enttäuschung ein, mit Ziegeln, die aus den Erinnerungen ihrer Mutter bestanden: Nira, in einer dunklen Zelle eingesperrt, sodass ihre grüne Haut kein Sonnenlicht empfing; Nira, die nach der Geburt ihrer Tochter im Zuchtlager bleiben musste, bis sie Udru’hs Sohn Rod’h zur Welt brachte; Nira, die es ertragen musste, später auch noch von anderen Ildiranern geschwängert zu werden.
Jede einzelne Vergewaltigung hatte sich unauslöschlich fest in Niras Gedächtnis eingebrannt. Durch das Fenster der geteilten Erinnerungen sah Osira’h in aller Deutlichkeit den Schmerz ihrer Mutter.
Sie hätte dies alles zum Anlass nehmen können, den Designierten Udru’h zu hassen. Aber sie wusste auch um die Bedeutung ihrer Mission und verstand, warum Udru’h zu solchen Maßnahmen gegriffen hatte. Sie erinnerte sich daran, wie sehr sich Udru’h um sie gekümmert hatte. Sie glaubte sich sogar von ihm geliebt, sofern Udru’h zu Liebe fähig war…
Osira’h hatte das Gefühl, langsam in zwei Hälften gerissen zu werden.
Als ihr Vater sie in seine private Kontemplationskammer bestellte, blieb Osira’h unsicher in der Tür stehen. Jora’h trat vor und begrüßte sie mit einem Lächeln, das fast ein wenig scheu wirkte – eine seltsame Reaktion beim Oberhaupt des großen Ildiranischen Reichs.
»Bitte komm herein.« Jora’h streckte die Hand aus und berührte Osira’h behutsam an der schmalen Schulter. »Ich möchte dich ansehen.« Das Mädchen schwieg und beobachtete wechselnde Gefühle im Gesicht des Weisen Imperators. »Wie sehr du deiner Mutter ähnelst. Ich sehe Nira in deinen Augen.«
Osira’h begegnete seinem Blick und fühlte plötzlich eine Mischung aus Verlegenheit und Verwirrung. Als sie Jora’h in dem runden Zimmer mit den bunten Kristallfenstern sah, strömten Niras Erinnerungen auf sie ein. Dieser Mann war ihr Vater, doch ein Teil von ihr sah ihn mit den Augen einer erwachsenen Frau: Auf diesen Kissen hatten sich Nira und Jora’h leidenschaftlich geliebt, lange Gespräche geführt und sich voller Zärtlichkeit in den Armen gelegen. Osira’hs Herz schien zu schmelzen. Dies war völlig anders als die Zuchtbaracken von Dobro: Liebe anstatt Gewalt, Ekstase anstelle von Schmerz und Entsetzen.
Aber wenn Jora’h Nira liebte – warum hatte er sie dann nicht von Dobro gerettet? Warum hatte er den Lügen einfach geglaubt, ohne sich zu fragen, ob Nira vielleicht doch noch lebte? Wenn ihm wirklich etwas an ihr lag,
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