Gefangen (German Edition)
«Du drohst mir, du entführst mich, du hältst mich hier fest, du quälst mich – und erwartest, dass ich dich liebe? Das ist grotesk!»
Lennart schwieg. Er ahnte, dass sie Recht hatte, aber er wollte die Wahrheit nicht an sich heranlassen.
«Du bist krank, ein Psychopath. Ja, das bist du: ein Psychopath! Ich hätte mich niemals darauf einlassen dürfen. Diese Freitage. Immer wieder diese Freitage. Du hast mir etwas vorgegaukelt!»
Eine Weile schwiegen sie beide.
«Warum bist du dann gekommen, obwohl du mich für – verrückt hältst? Nur des Geldes wegen?»
Er befand sich in einer Sackgasse. Sie wollte ihn nicht. Eigentlich müsste er sie gehen lassen. Aber er liebte sie, er war krank vor Liebe. Er wollte ihre Zuneigung, ihre Liebe, nichts mehr als die Leidenschaft in ihren Augen sehen, jeden Tag, für immer und ewig. Alles wollte er ihr geben, alle Zärtlichkeit, zu der er fähig war. Er war nicht scharf darauf, sie zu quälen oder zu vergewaltigen, er wollte Hingabe, damit er ihr im Gegenzug seine ganze Wärme und Zärtlichkeit schenken konnte. Warum wollte sie das nicht? Sie hatte ihm nichts vorgespielt – ihr körperliches Begehren war echt. Warum nicht ihre Liebe? Er verstand es nicht. Frauen waren schrecklich kompliziert. Die Welt war kompliziert. Alles. Alles würde er für sie tun. Für sie sorgen. In seinem Kopf begann sich ein Karussell zu drehen, als ob er getrunken hätte.
Er drehte sich zu ihr um, nahm ihr die Fesseln ab. Dann stand er auf. «Was soll ich deiner Meinung nach tun?», fragte er leise.
Delia rieb sich die Handgelenke, setzte sich auf und sah ihm direkt in seine unergründlichen grauen Augen. «Lassen Sie mich gehen, bitte!»
Lennart schüttelte den Kopf. «Das kann ich nicht!»
Delias Kopf war voller Wut. Ihr Blut kochte.
«Auch wenn du es nicht glaubst, es nicht verstehst: Ich liebe dich.»
Mit einem Mal verstand Delia den Ausdruck in seinen Augen. Dieser eigentümliche Blick, der sie so oft mit einer Mischung aus Arroganz, Besitzanspruch und – das war es – Schmerz! gemustert hatte. Plötzlich empfand sie wieder dieses seltsame Bedürfnis, ihm aus freien Stücken nachzugeben, sich zu unterwerfen, ihre und gleichzeitig seine Sehnsucht zu stillen.
Lennart verfolgte irritiert den Wandel ihrer Mimik. Er zog fragend die Augenbrauen hoch.
Zu ihrer Verblüffung vernahm Delia ihre eigene Stimme, die wie von selbst demütig und aufrichtig flehte: «Sag mir, was ich tun soll. Ich bin bereit, mich dir zu unterwerfen.» Sie senkte nicht ihren Blick, wie es sich gehört hätte, auch ihre Anrede war falsch, stellte jedoch ein vertrauliches Band zwischen ihnen her, und ihr Versprechen war diesmal aufrichtig.
Lennart war darauf nicht vorbereitet. Zu lange hatte er gewartet, gehofft. Er war festgefahren, nicht bereit, ihr zu glauben. Nicht jetzt, nach allem, was geschehen war.
Es war nicht nötig, das auszusprechen. Delia verstand auch so. Sie senkte schuldbewusst ihren Kopf. Er wandte sich ab und ging zur Tür. Seine stolze, herrische Haltung hatte in den letzten Minuten erheblich gelitten. Seine Schultern hingen herab und sein Gang war fast schleppend.
«Bitte lass mich gehen! Verdammt noch mal! Du kannst mich doch nicht ewig hier festhalten?»
Er wollte sie anschauen, aber zum ersten Mal schaffte er es nicht. Er wollte ihr antworten, ihr sagen, dass er nur das Beste für sie wollte, er würde sich immer um sie kümmern. Aber er brachte keinen Ton heraus.
Es war Delia unverständlich, dass er sie ausgerechnet in diesem Augenblick alleine ließ. Musste sie ihre Bereitschaft noch in irgendeiner Weise untermauern? Hatte er nicht verstanden, was sie gesagt hatte? Sie würde alles tun, was er verlangte!
«Und jetzt? Wie soll es weitergehen?», rief sie ihm hinterher. «Ich unterwerfe mich doch. Bitte rede mit mir! Lass mich nicht alleine. Ich sterbe vor Einsamkeit!»
Doch schweigend verließ er das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Wie betäubt blieb Delia alleine zurück.
Sie hatte eine Schlacht gewonnen und zugleich dieselbe verloren. Sie hatte ihm getrotzt, aber sie war nicht frei. Sie war stolz auf sich und wütend auf ihn und zugleich verzweifelter denn je. Warum hatte er ihre Bereitschaft zur Unterwerfung nicht akzeptiert? Das war es doch, was er wollte. Delias Wut kehrte zurück. Wieso nur hatte sie diesen schwachen Moment geduldet? Sie kannte die Antwort, aber sie wollte es sich nicht eingestehen, dass Lennart nach wie vor eine unwiderstehliche
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