Gefangen im Palazzo der Leidenschaft
wie das, das sie eben verlassen hatte. War das jetzt ihr Bereich?
Offensichtlich, denn Dmitri brachte ihren Koffer in das angrenzende Schlafzimmer und legte ihn auf den Hocker am Fußende des großen Himmelbetts. Sie war zu benommen, um die ausgesprochen weibliche Note des Zimmers zu bemerken, als sie eine weitere Durchgangstür öffnete, das Licht anknipste und das luxuriöseste Badezimmer entdeckte, das sie je gesehen hatte.
Boden und Wände waren in creme- und terrakottafarbenem Marmor gefliest, in einer Ecke stand eine geräumige Duschkabine aus Rauchglas. Doch das Schönste war die riesige Badewanne, umrahmt von Grünpflanzen.
Ein vergoldeter Käfig, wirklich …
Aber trotzdem ein Käfig, rief Lily sich in Erinnerung und ging an Dmitri vorbei zurück ins Schlafzimmer. Sie ließ sich auf das Bett fallen, wobei der gesamte Inhalt ihrer Handtasche herausfiel, als sie diese neben sich auf die Decke warf.
Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, Felix wiederzusehen, mit ihm Weihnachten zu feiern und zusammen mit ihm und Dee die wunderschöne Stadt Rom zu erkunden. Doch kein Felix war da, keine Dee – nur dieser Mann und der Palazzo Scarletti mit seinem ausladenden Luxus.
Lily gab Felix jedoch keine Schuld an diesem Chaos. Nein, in ihren Augen war allein Dmitri für all das verantwortlich, was an diesem Tag passiert war. Sicher verhielt er sich seiner Schwester gegenüber genauso bestimmend wie ihr gegenüber. Und daher hatte Claudia es vermutlich nicht gewagt, ihm zu sagen, dass sie sich am nächsten Tag nicht mit Francesco Giordano verloben wollte, ganz zu schweigen davon, dass sie sich in einen anderen verliebt hatte. Er hatte ihr und Felix keine andere Wahl gelassen, als heute zusammen durchzubrennen.
Die Vorstellung einer arrangierten Ehe, die dazu diente, zwei mächtige Familien zu vereinen, war in Lilys Augen schlicht grausam. Und nun, da sie Dmitri Scarletti in seiner arroganten Unbeugsamkeit kennengelernt hatte, hatte das flüchtende Paar ihr volles Mitgefühl.
Trotzdem wäre sie am liebsten vor Enttäuschung in Tränen ausgebrochen. Sie wollte doch so gern die Stadt erkunden, auf die sie während der Fahrt hierher nur einen flüchtigen Blick hatte werfen können …
„Lily?“
Mit Tränen in den Augen blickte sie zu Dmitri hinüber, der auf der anderen Seite des Zimmers stand. „Könnten Sie nicht einfach gehen und mich allein lassen?“, fragte sie heiser. „Ich würde gern ein Bad nehmen und dann vielleicht ein bisschen schlafen.“ Vielleicht die ganze Woche, die sie in Rom bleiben wollte. Oder zumindest so lange, bis dieser Albtraum vorbei war.
„Sie …“
„Würden Sie bitte gehen?“ Lily stand auf und funkelte ihn wütend an.
Dmitri ignorierte ihren aggressiven Ton, als er ihren Blick erwiderte. Lily war jetzt sehr blass, und ihre Augen schimmerten hell. Vor Ärger? Oder war es etwas anderes? Vielleicht ungeweinte Tränen?
Zweifellos musste es ein Schock für sie gewesen sein, als sie erfahren hatte, dass ihr Bruder nicht in Rom war, um sich mit ihr zu treffen, ganz zu schweigen davon, sich gegen ihren Willen als Gast beim Arbeitgeber ihres Bruders wiederzufinden. Nun ja, ehemaliger Arbeitgeber. Das Arbeitsverhältnis war für Dmitri in dem Moment beendet gewesen, als er erfuhr, dass Felix sich seit zwei Monaten heimlich mit Claudia traf.
Ja, sinnierte Dmitri, die letzten Stunden müssen schwer für Lily gewesen sein …
„Natürlich.“ Er nickte und machte Anstalten zu gehen. „Passt es Ihnen, wenn wir um acht zu Abend essen?“
Sie straffte sich und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Sie erwarten hoffentlich nicht von mir, dass ich koche, nun, da Ihr gesamtes Personal im Weihnachtsurlaub ist?“
Offenbar hatte sie wieder zu ihrer kämpferischen Form zurückgefunden. „Nein, ich erwarte nicht, dass Sie das Abendessen machen“, versicherte er ihr trocken.
„Auch kein Frühstück oder Mittag.“
Dmitri schenkte ihr ein Lächeln. „Keine Sorge, Lily, ich bin durchaus in der Lage, uns etwas zu essen zu machen, solange Sie hier sind.“
„Wirklich?“, fragte sie skeptisch.
„Ja, wirklich“, gab er zurück. „Als ich in Oxford an der Uni war, habe ich drei Jahre lang für mich selbst gekocht.“
Ihre Augen weiteten sich. „Sie haben in England studiert?“
Spöttisch hob er eine Braue. „Überrascht Sie das?“
Lily war tatsächlich überrascht. Sie hatte geglaubt, seine altmodische Einstellung wäre auch darauf zurückzuführen, dass er sein Leben bis
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