Gefangen im Terror (German Edition)
kehrt und fuhr querfeldein, um seine Spur zu verwischen. Im Halbdunkel war es schwierig, den Felsbrocken und umgestürzten Bäumen auszuweichen. Achmed hatte vorsichtshalber das Licht des Autos ausgemacht. Er spähte angestrengt in die Dunkelheit. Plötzlich lief ihm eine Ziege vor den Kühler. Achmed konnte nur mit starkem Bremsen verhindern, dass er sie überfuhr. Er hoffte, dass es nur ein einzelnes verirrtes Tier war und nicht ein Hirte hinter dem nächsten Felsvorsprung hervorkam, den er hätte töten müssen. Doch nachdem sich die Ziege laut meckernd entfernt hatte, fuhr Achmed vorsichtig weiter. Die Suche nach dem Versteck war schwieriger als erwartet. In der Dunkelheit sah für Achmed alles gleich aus. Der krumme Baum, den er sich als Anhaltspunkt gemerkt hatte und den man normalerweise schon von weitem sah, war vielleicht umgefallen. Achmed musste immer wieder aussteigen und über die Böschung des Flussbettes klettern, um nach dem Eingang der Höhle zu suchen. Er war schweißdurchnässt und seine Nerven lagen blank. Jedes Knacken im trockenen Gebüsch ließ ihn herumfahren. Wenn er nicht bald den Eingang zur Höhle fand, würden ihn die noch immer kreisenden Hubschrauber zuletzt doch noch entdecken. Am Horizont war der Himmel rot vom Feuerschein der brennenden Schule. Achmed war höchstens 10 Kilometer von seinem Einsatzort entfernt. Das Versteck war deshalb so nahe gewählt worden, um im Ernstfall dort auch zu Fuß hin zu gelangen. Er musste auch damit rechnen, dass bereits andere das Versteck aufgesucht hatten und auf ihn schießen würden, sobald er näher kam. Achmed beschloss, das Auto stehen zu lassen und zu Fuß weiterzugehen. Das Gelände war zu unwegsam und die Angst, mit dem Jeep in die Luft zu fliegen, falls Sprengstoffpakete darin lagen, war einfach zu riskant. Er ging weiter flussaufwärts dicht am Ufer entlang, dabei versuchte er, möglichst keinen Lärm zu machen. Den schräg gewachsenen Baum, der ihm einen Hinweis auf den Eingang der Höhle geben konnte, fand er nicht. Gerade, als er über die Böschung ins Flussbett kletterte, strich neben ihm ein Lichtkegel über den Boden. Während der angestrengten Suche hatte Achmed dem Himmel keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Der Hubschrauber flog in einer weiten Schleife weiter und kehrte dann wieder in Richtung Beslan um. Wie gelähmt lag Achmed noch auf dem Boden und erhob sich erst nach einigen Minuten wieder, um in das Flussbett abzusteigen. Er war müde und hoffte nur noch, bald den Eingang zu finden, um sich hinzulegen. Die Anspannung der vergangenen Tage und Nächte forderte nun ihren Tribut. Doch auch im Flussbett war es dunkel und Achmed fürchtete, dass er längst am Eingang vorbei gegangen war. Er drehte um und ging wieder flussabwärts. In der Dunkelheit konnte er im sandigen Ufer nicht erkennen, ob dort Fußabdrücke oder Reifenspuren waren. Er musste weiterhin vorsichtig sein und möglichst geräuschlos weitergehen. Er hatte das Gefühl, eine Ewigkeit gegangen zu sein, als er plötzlich den krummen Baum liegen sag. Er war in das Flussbett gestürzt und hatte den Eingang unter sich begraben. Auf allen Vieren kroch Achmed unter die kahlen Äste zum Eingang der Höhle.
Der Eingang war unverschlossen. Das Brett, das als Tür gedient hatte, lag zersplittert auf der Seite. Vorsichtig, mit dem Gewehr im Anschlag hielt er inne. Drinnen war es dunkel. Er wartete ein paar Minuten, bis er sich entschloss, sein Feuerzeug anzumachen und hineinzugehen.
4. Kapitel
Nachdem wir Chamil gemeinsam aus dem Auto geholt hatten, legten wir ihn in meinem Zimmer auf eine Matratze und meine Mutter brachte meine Sachen in das Schlafzimmer meiner Schwestern. Die Diskussion, warum Chamil bei uns bleiben musste, hatte sich erledigt, nachdem im Krankenhaus mir die Aufgabe der Pflege zugeteilt worden war. Darüber war ich sehr froh, denn mein Vater hätte niemals erlaubt, dass Chamil bei uns über Nacht blieb. Obwohl ich demnächst Chamils Ehefrau werden sollte, konnten wir nicht im gleichen Raum schlafen. Das hätte die Ehre unserer Familie verletzt und meine Eltern waren sehr darauf bedacht, meine Reinheit zu schützen. Die Regeln des Korans wurden in unserem Hause möglichst streng befolgt.
Meine Eltern hatten keine Ahnung, dass ich während meines Studiums in Tbilisi ein ganz anderes Leben geführt hatte, das von ihnen niemals toleriert worden wäre. Sie hatten mich in Tbilisi nie besucht und kannten meine Wohnung nicht, die ich dort mit einem anderen
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