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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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geschuftet und ums Überleben gekämpft wie ein Tier. Aber jetzt wollte ich nicht mehr.
    Gitta redete mir gut zu. »Du musst stark sein vor dem Jungen!«, beschwor sie mich eindringlich. »Lass dich jetzt nicht gehen!«
    »Der arme Junge, der arme, kleine Junge! Was hat er denn getan, dass er so leiden muss?«, wimmerte ich. »Er hat doch wirklich schon genug hinter sich.«
    Aber Gitta hatte recht. Mein Bernd würde spüren, wenn ich aufgab, und das kam nicht infrage.
    »Gerti, du bist eine Löwenmutter, das hast du bewiesen! Du musst ihm jetzt Kraft geben!« Energisch bugsierte Gitta mich zur Tür hinaus.
    »Der Junge will keine Nahrung aufnehmen«, murmelte der Chefarzt ratlos, als ich Tage später bei ihm im Zimmer saß. »Sie müssen Ihren Jungen dazu bringen, dass er Nahrung zu sich nimmt. Das können nur Sie als Mutter.«
    Drei Tage und drei Nächte wich ich nicht von Bernds Krankenbett, saß einfach nur da, hielt seine Hand und redete ihm gut zu.
    Mit einem Strohhalm versuchte ich meinem Jungen pürierte Nahrung einzutrichtern – vergeblich.
    »Wir versuchen ihn jetzt seit drei Tagen zu ernähren, aber er verweigert sozusagen die Mitarbeit.« Der Chefarzt war genauso verzweifelt wie ich. »Er hat keinen Lebenswillen mehr«, teilte er mir traurig mit. »Er lässt keinen Tropf an sich heran, ich bin langsam ratlos.«
    »O Gott, Herr Doktor, so tun Sie doch irgendwas! Zwingen Sie ihn zum Essen!« Das musste ausgerechnet ich sagen, die ich selbst nur noch Haut und Knochen war.
    »Er stirbt uns noch unter den Händen weg!« Der Chefarzt schüttelte müde den Kopf. »So was habe ich noch nicht erlebt! Der kleine Patient hat sich komplett aufgegeben!«
    Ich schluchzte verzweifelt. »Herr Doktor, meine Kinder sind alles, was ich noch habe! Sie müssen ihn durchbringen!«
    Der Chefarzt war selbst völlig übermüdet und erschöpft. »Ich habe keinen Zugang zu ihm. Fragen Sie ihn, was wir noch für ihn tun können. Ich möchte den Jungen wirklich nicht verhungern lassen, aber ich weiß mir auch keinen anderen Rat mehr. Wenn er nicht leben will, können wir ihn nicht dazu zwingen.«
    Wäre Thomas nicht gewesen – ich hätte mich gleich zum Sterben dazugelegt. Verzweifelt eilte ich zurück auf die Intensivstation, wo Bernd in seinem Bett lag und apathisch an die Decke starrte.
    »Bernd«, stammelte ich, »Liebling! Du darfst dich nicht aufgeben! Ich brauche dich doch!«
    Keine Antwort. Nur das Piepen der Überwachungsgeräte war zu hören.
    Verzweifelt blinzelte ich die Tränen weg. »Wer hat mir denn so tapfer beigestanden bei unserer Flucht? Wer hat mir denn gesagt, ich bin bei dir, wir schaffen das?«
    Aus Bernds Auge quoll eine Träne.
    »Bernd! Schatz! Was kann ich für dich tun, dass du weiterleben willst?« Ich beugte mich über ihn und küsste ihm die Träne aus dem Augenwinkel.
    Mein Junge gab einen Laut von sich, und ich hielt mein Ohr über das Loch, das einmal sein Mund gewesen war.
    »Bernd, sag es mir. Ich tue alles, wirklich alles für dich! Womit kann ich dich ins Leben zurückholen?«
    Bernd versuchte, etwas zu flüstern, eine Silbe, die gar keinen Sinn ergab, die er aber unablässig wiederholte. »Bah … bah … «
    »Bitte Bernd, ganz langsam. Noch mal. Ich habe dich nicht verstanden.«
    Und dann kam seine Antwort, dahingehaucht wie von einem sterbenden Tier, und ich brauchte eine Weile, bis ich sie in ihrer ganzen Tragweite begriff:
    »Papa.«

27
    Leo Wolf kam mit der nächsten Maschine aus Windhoek. Das passte ihm ganz ausgezeichnet, denn dort hatte er auch nur Scherben hinterlassen und entkam so einer frustrierten Marion ebenso wie seinen erzürnten Gläubigern. Er bezog ein Bett in Bernds Zimmer und hatte dort zwei Monate lang Vollpension, denn so lange dauerte es, bis Bernd die Krise überwunden hatte. Im Krankenhaus war Leo Wolf der große Held. Er galt als vorbildlicher Vater, der in Afrika alles hatte stehen und liegen lassen, um seinem Sohn das Leben zu retten.
    Wenn ich direkt von der Arbeit kam, mit selbst gekochtem, pürierten Essen im Henkelmann, schien ich die innige Vater-Sohn-Wohngemeinschaft im Krankenhaus nur zu stören. Unser Sohn Bernd baute wieder ein ganz enges Verhältnis zu Leo auf, denn der war ja Tag und Nacht an seiner Seite, während ich Geld verdienen musste und dazu keine Zeit hatte. Meine Besuche fanden abends statt, und Leo bequemte sich nicht mal zur Tür hinaus, wenn ich mal mit meinem Sohn allein sein wollte. Es war zum Verrücktwerden! Da saß der wohlgenährte
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