Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
verkaufen und das Geld in neue Geschäfte zu investieren! Er hatte die Dreistigkeit besessen, meinen Chef um eine Bürgschaft auf meinen Namen zu ersuchen! Während ich eine Telefonrechnung über tausendachthundert Mark bekam: Er hatte jeden Tag von meiner Wohnung aus mit Südafrika telefoniert – mit seiner dortigen Frau und seinen Gläubigern. Das war der Gipfel der Unverschämtheit! Ich musste zahlen, und er hockte wie die Made im Speck und weigerte sich, aus meiner hart erarbeiteten Wohnung auszuziehen! Weil er doch schließlich ein politischer Flüchtling sei und nicht wisse, wohin!
Und was war ich , bitte schön? Und durch wessen Schuld? Nur dass ich in die Hände gespuckt und einen Job hatte, während Leo Wolf sich wieder auf Kosten anderer durchs Leben schummelte.
Ich hatte mir nicht anders zu helfen gewusst, als meinen Vater um Hilfe zu bitten. Der tobte vor Wut, reiste sofort an und lieferte sich ein lautstarkes Wortgefecht mit Leo. Ich konnte gerade noch die Kinder außer Hörweite bringen. Mein Vater war zwar alt und schwach, aber sein Hass auf Leo war so groß, dass er mit dem Stock auf ihn losging.
Leo brüllte, er habe doch keine Ahnung von der großen weiten Welt, und es sei doch nur zu unserem Besten, wenn er die Wohnung zu Geld mache, das er dann wieder in Geschäfte investiere. Mein Vater sei doch nur ein dummer Kleinbauer, der sein Leben lang von der Hand in den Mund gelebt hätte! Er, Leo Wolf, habe es schließlich zu was gebracht!
Wie es mein Vater letztlich geschafft hat, Leo aus der Wohnung zu prügeln, weiß ich nicht. Tatsache ist: Als ich mit den Kindern zurückkam, war er weg. Mein Vater saß leichenblass in der Ecke. Wenig später starb er beim Apfelpflücken auf seinem winzigen Grundstück. Ein Nachbar fand ihn tot im Garten.
Ich stand auf seiner Beerdigung und war längst mit ihm versöhnt. Er hatte vieles wiedergutgemacht und konnte hoffentlich in Frieden sterben.
Nun musste sich meine arme Mutter allein durchschlagen. Nachbarn halfen ihr zurechtzukommen.
Unser Alltag war zu turbulent, als dass ich mich um sie hätte kümmern können. Der Laden boomte, und die Kinder brauchten mich nach wie vor: Erster Liebeskummer, erste blaue Briefe, erste Sorgen, ob sie versetzt würden, zerrten an meinen Nerven.
Nachdem sich die Kindermode verkaufte wie warme Semmeln, bot Ralf Meerkötter, mein Chef, mir an, eine weitere Abteilung mit Damenmoden zu eröffnen.
Es gab einen großen Um- und Anbau, und anschließend hatte ich meine eigene Abteilung, ja wurde sogar am Umsatz beteiligt. Jede Mark, die ich so zusätzlich verdienen konnte, steckte ich in Sparbücher für die Ausbildung meiner Söhne. Nie wieder sollte es jemand wagen, meine Qualitäten als Ernährerin meiner Familie infrage zu stellen. Inzwischen arbeitete ich oft bis zweiundzwanzig Uhr im Laden. Meine Kundinnen waren selbst berufstätig und kamen mit ihren Sonderwünschen für Änderungen erst nach Feierabend zu mir ins Geschäft. Mit dem letzten Bus hetzte ich abends nach Hause, räumte auf, machte die Wäsche, putzte das Bad, wo ich inzwischen auch schon mal lange blonde oder schwarze Haare fand, und begann manchmal noch um Mitternacht, zu kochen und zu backen.
An mich selbst dachte ich schon lange nicht mehr. Nach höchstens drei, vier Stunden Schlaf sprang ich schon wieder aus dem Bett.
So machte ich es jahrelang. Zäh wie Leder und stolz wie eine Königin. Ich brauchte keinen Leo. Weder zum Mann noch zum Feind. Ich wollte nur noch meine Jungs in Würde großziehen. Damals wog ich zweiundvierzig Kilo und hatte Kindergröße 164.
28
»Du, Mama, das richtet sich jetzt nicht gegen dich, also bleib mal locker – aber ich hab beschlossen, ich ziehe zum Papa.«
Bernd, mein Bernd, für den ich alles getan hatte, stand lässig vor der Garage und wischte sich die ölverschmierten Hände an einem Lappen ab. Eine Art rötlicher Stoppelbart war inzwischen über seine Narben gesprossen. Er reparierte gerade sein Fahrrad, das zugegebenermaßen nicht mehr den Ansprüchen meines inzwischen siebzehnjährigen Sohnes entsprach.
Mir blieb die Luft weg. Bestimmt hatte ich mich da verhört. »Bitte was?«
Bernd war inzwischen zwei Köpfe größer als ich und sah fast mitleidig auf mich herab.
»Ja echt, Mama, guck dir diese Rostmühle hier doch mal an!« Bernd trat verächtlich gegen seinen Drahtesel. »Damit will ich nicht noch mal auf die Fresse fallen.«
»Aber Bernd! Was ist denn das für ein Vokabular? Und was hat das überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher