Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
mit deinem Vater zu tun?«
»Wenn ich zu ihm ziehe, hat der Papa gesagt, schenkt er mir ein Motorrad.«
Da hatte es Leo also nach Jahren wieder geschafft, meinem Jungen einen Floh ins Ohr zu setzen! Erst der Hund, und jetzt ein Motorrad? Bernd würde in wenigen Wochen achtzehn, da konnte er selbst bestimmen, wo er wohnen wollte.
Leo hatte die Witwe mit Eigenheim inzwischen geehelicht. Ein kluger Schachzug von ihm. Sein Haus lag viel zentraler als unser Mietwohnblock. Bernds bester Freund wohnte gleich in der Nachbarschaft. Ein größeres Zimmer, ein Motorrad, ein Vater mit coolen Sprüchen und noch mehr Versprechungen, der bester Freund gleich hinterm Gartenzaun: Jungenherz, was willst du mehr!
Ich ließ die Einkaufstüten fallen, schleppte mich wie eine uralte Frau die Treppen hoch und ließ mich noch im Mantel auf einen Küchenstuhl sinken. Ich konnte nicht mehr.
»He, Mama, jetzt mach doch nicht so’n Drama draus.« Bernd war mitsamt den Einkaufstüten nachgekommen und knallte sie vorwurfsvoll auf den Tisch. »Ich hab doch gesagt, das richtet sich nicht gegen dich!«
»Aber das tut es!«, flüsterte ich fassungslos. »Ich habe jahrelang alles für euch getan … « Meine Stimme bebte bedenklich.
»Och, Mama, bitte nicht diese Platte«, jammerte Bernd genervt. »Ich hab echt geglaubt, du bist cool, aber Papa hat ganz recht, du wirst sofort hysterisch!« Wütend schlug er mit der flachen Hand gegen den Türrahmen. »Ich werde jetzt achtzehn und kann selbst über mein Leben bestimmen!«
»Ich bin nicht hysterisch!«, schrie ich und griff nach meinen Zigaretten. »Ich habe nur Tag und Nacht geschuftet, damit ihr es schön habt, und das ist jetzt der Dank … « O Gott, ich wollte es nicht sagen, aber es brach einfach aus mir heraus.
»Aber bei Papa ist es eben schöner!« Bernd steckte trotzig die Hände in die Hosentaschen. »Das musst du leider zugeben, Mama! Der hat eine Terrasse, auf der man grillen kann und außerdem … «
»Außerdem … was?«
»… hat er deutlich mehr Zeit für mich.«
»Der Papa arbeitet nicht!«
»Na und? Das ist doch nicht mein Problem!«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Jedes Wort, das nun fiel, würde verletzend sein, und das wollte ich nicht. Dazu fehlte mir einfach die Kraft. Mit ohnmächtiger Wut musste ich feststellen, dass Leo Wolf auch noch Jahre nach dem Scheidungsprozess am längeren Hebel saß. Obwohl er keinen Pfennig Unterhalt bezahlt hatte. Obwohl er jeden Menschen nur ausgesaugt hatte.
Er würde auch die Kinder aussaugen. Er würde sie zerstören.
»Der Papa sagt, er macht eine Motorradreise mit mir, wenn ich zu ihm ziehe! Nur wir zwei, über die Alpen!« Bernd sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »So ganz enge Kurven, in die man sich reinlegen kann … «
»Bernd, du hattest einen fürchterlichen Unfall!«
»Was hat das denn damit zu tun? Willst du mich jetzt in ein Glashaus sperren oder was? Du wirst mir das doch nicht versauen, bloß weil du Stress mit Papa hast?«
Müde schüttelte ich den Kopf. »Nein, das werde ich dir nicht versauen, Bernd.« Ich sah ihm traurig in die Augen, und er konnte meinem Blick nicht standhalten.
»Hach, jetzt tu doch nicht so!« Bernd ging zum Gegenangriff über. »Ich bin ein Mann und will nicht länger von dir verhätschelt werden!«
»Klar.« Ich beschwor mich, nicht loszuheulen. Nicht, solange Bernd hier in der Küche stand.
»Also wenn du nichts dagegen hast, gehe ich dann jetzt.« Bernd drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. »Auf die paar Wochen bis zu meinem Geburtstag kommt es ja wohl auch nicht mehr an.«
»Nein.« Er hatte offensichtlich schon gepackt.
»An meinem Geburtstag bin ich mit Papa über alle Berge!«
Mich durchfuhr ein stechender Schmerz. Ich hatte bereits eine Überraschungsparty geplant und heimlich all seine Freunde eingeladen. Sogar die Familie Meyer mit seiner Jugendliebe Claudia, die inzwischen wieder in Deutschland lebte, wollte eigens aus Kiel anreisen. Sie hatte ihm ständig Liebesbriefe geschrieben, sogar ins Krankenhaus. Es wäre das erste Wiedersehen seit der Flucht geworden! Kurz überlegte ich, ob ich Bernd vor die Wahl stellen sollte, beschloss dann aber zu schweigen. Bernd war wild entschlossen zu gehen. Der Besuch der Meyers konnte warten. Bernd war einfach noch nicht reif genug dafür. Claudia würde fürchterlich enttäuscht sein.
»Also tschüs, Mama, trag es mit Fassung, ja? Ich melde mich.«
Ich zuckte zusammen, als die Wohnungstür ins Schloss
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