Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Wahrsagerin war! Genauso gut hätte ich zum Friseur oder ins Kino gehen können. Kurz darauf saß ich mit meiner Nichte Beate im Auto.
Die Wahrsagerin war sympathischer und normaler, als ich sie mir vorgestellt hatte. Sie las in der Hand meiner Nichte und sagte ihr dann klar und deutlich, dass ihr Mann ihr treu sei, sie liebe, abends nur Überstunden im Büro mache, um die Schulden loszuwerden. Dass sie eine glückliche Zukunft mit gesunden Kindern und einer boomenden Gärtnerei vor sich habe.
»Wirklich?« Beate wischte sich Tränen der Erleichterung ab.
»Wirklich!«, sagte die Wahrsagerin zufrieden.
Na toll. Dafür strich sie hundert Mark ein.
»Und jetzt Sie!«, sagte die Wahrsagerin zu mir.
»Wer … ich?«
»Ja. Sonst ist ja niemand im Raum.«
»Nein. Dafür gebe ich bestimmt keine hundert Mark aus.« Ich winkte ab, griff nach meiner Handtasche und wollte gehen.
»Aber ich , Tante Gerti!« Meine Nichte war so glücklich und dankbar, dass sie einen zweiten Hunderter auf den Tisch knallte.
»Einmal, Tante, bitte. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das ganze Programm.«
Nach dem Handlesen gab mir die Wahrsagerin einen ziemlich detaillierten Bericht über mein bisheriges Leben: Harte Kindheit, Hunger, Armut, die ganze Palette. Sie wusste von einem Ehemann, der nur aufs Geld aus war, der mich tief enttäuscht und in großes Unglück gestürzt hatte, von dem ich mich hatte befreien müssen, von zwei Söhnen, die ich allein großgezogen hatte. Einer davon habe schon seine große Liebe gefunden, und bei diesen Worten sah sie lächelnd von meiner Hand auf. Sie erzählte von sehr viel Arbeit, von einer tiefen Lebenskrise, die ich gerade überwunden hätte, und von einer großen Entscheidung, vor der ich stünde. Ich sei ein wahnsinnig hilfsbereiter, arbeitsamer Mensch und würde immer zuletzt an meine eigenen Bedürfnisse denken.
Hm. Das hatte ich nicht erwartet. Nun mal weiter!, dachte ich mir. Bei dem Preis …
»Ich sehe einen großen schlanken Mann mit grauem Haar«, sagte die Wahrsagerin, während sie weiter auf meine Handlinien starrte.
»Na, so grau auch wieder nicht«, widersprach ich unwillkürlich. »Höchstens an den Schläfen.«
»Zwischen Ihnen liegen vierhundert Kilometer. Er wartet auf Sie.«
Jetzt war ich aber wirklich platt. Das konnte sie doch gar nicht wissen! Von meiner Nichte Beate bestimmt nicht!
»Lassen Sie ihn nicht zu lange warten«, sagte die Wahrsagerin mit warnendem Unterton. »Er ist der Richtige für Sie. Er liebt Sie. Und Sie lieben ihn auch.«
»Ja, warum hast du mir denn nie was von ihm erzählt?« Sieglinde setzte sich auf ihrem Krankenlager auf und starrte mich halb amüsiert, halb vorwurfsvoll an.
»Ach, weißt du … Es ging ja jetzt erst mal um dich.« Ich schüttelte Sieglindes Kissen auf und öffnete das Fenster. Natürlich in erster Linie, um eine zu rauchen. Beate hatte natürlich geplaudert.
»Was hältst du davon, ihn hierher einzuladen?« Sieglinde zupfte sich bereits das Nachthemd. »Übermorgen ist Karfreitag, und dann ist Ostern. Vielleicht mag er kommen. Dann kann ich mir ein Bild von ihm machen und dir sagen, ob er der Richtige für dich ist.«
Ich rauchte nervös. »Sieglinde? Du hattest gerade einen Schlaganfall, hier sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa, Heidelsheim ist jetzt auch nicht gerade Paris … «
»Wenn er dich liebt, dann liebt er auch deine Familie und deine Umgebung.«
Meine Nichte Beate stand in der Tür und nickte heftig. »Der volle Härtetest, Tante Gerti! Außerdem sieht es hier überhaupt nicht aus wie bei Hempels unterm Sofa. So sauber und aufgeräumt wie jetzt war es noch nie!«
»Also? Was ist? Ruf ihn an!« Sieglinde wies mit dem Kopf auf das Telefon.
Es war Mittwochabend, und am Karfreitag früh um neun war mein lieber Jürgen da. Es war unglaublich: Sofort packte er im Haushalt mit an, ostersamstags bediente er ganz selbstverständlich in der Bäckerei, reparierte sogar noch dies und das, kehrte den Boden und brachte den Müll weg. Am Ostersonntag standen wir Schulter an Schulter in der Messe und ließen uns vom lieben Gott den Segen geben.
Abends gab ihn uns dann auch Sieglinde.
»Ihr beide seid wie füreinander gemacht«, sagte sie bestimmt. »Ich lasse dich keinen Tag länger hier, Gerti. Nimm den Mann und lauf!«
31
Und so kam es, dass ich mit Sack und Pack nach Göttingen zog.
Nachdem ich immer noch Angst vor dem Alltag und dem Zusammenleben hatte, nahm mich erst mal Kurfreundin Hilde in ihrer Wohnung
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