Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
sind. Die beiden kichern und lachen, und ich höre Ona Anweisungen geben.
»Die Beine hochhalten, Madina, nicht wackeln!«
»Was machen die da?«
Claudia schiebt ihre Sonnenbrille auf die Stirn. »Seit Tagen versucht Ona, dem Mädel das Fahrradfahren beizubringen. Dabei sollte es eigentlich andersherum sein.«
Da sehe ich, wie das Kinderfahrrad die sanfte Böschung herunterrollt. Zuerst nur zögerlich, doch dann gewinnt es an Fahrt.
Es ist nicht die sechsjährige Ona, die jubelnd darauf sitzt, sondern Madina, das dunkelhaarige Au-pair-Mädchen, mit abgespreizten, viel zu langen Beinen.
Quietschend erreicht sie das Rasenstück mit den Johannisbeersträuchern am Rande unseres Grundstücks und lässt sich jubelnd mitsamt dem Fahrrad in die Wiese fallen.
Ona rennt hinterher und wirft sich lachend auf sie.
»Die beiden tun einander gut«, sage ich lächelnd. »Ich glaube, sie fühlt sich wohl bei euch.«
»Du, Schwiegermami, wäre es für dich und Jürgen okay, wenn wir unsere Rasselbande über den Sommer bei euch lassen?«, fragt Claudia und sieht mich flehentlich an. »Wir würden so gern vor der Geburt noch mal nach … Na, du weißt schon. Wir kommen sonst vielleicht nicht mehr dazu.«
»Ihr wollt nach Namibia?« Überrascht schaue ich sie an.
»Ja, nachdem Bernd jetzt befördert wird und Ona im September in die Schule kommt, wäre das unsere letzte Chance, noch mal zu zweit … ?«
In mir steigt ein Glücksgefühl auf, das ich nicht beschreiben kann. »Das ist eine wunderbare Idee, Claudia! Natürlich macht ihr das!«
»Und ich darf dir Ona und Jasper dalassen? Ich meine, Madina wird dir natürlich helfen … «
Ich schaue in die tief stehende Junisonne. Die beiden Fahrradkünstlerinnen stehen schon wieder am Waldrand. Sie bringen das Kinderfahrrad in Position, und … was ist denn das? Jetzt setzen sie sich beide drauf? Sie lachen sich kaputt.
»Das Au-pair-Mädchen hat ein kindliches Gemüt«, sage ich.
Und plötzlich verschwimmt das Bild von den beiden spielenden Kindern vor meinen Augen. Ich sehe mich als Sechzehnjährige im roten Sommerkleid, in der Obhut Tante Emmis.
»Ich werde ihr das Schwimmen beibringen«, höre ich mich sagen. »Und ihr einen weißrot gepunkteten Badeanzug kaufen.«
»Du bist ein Schatz, Schwiegermami! Schau, da kommen die anderen!« Claudia steht auf, drückt mir einen Kuss auf die Wange und läuft dann dem Rest unserer Familie entgegen, der hungrig aus dem Freibad kommt.
Jürgen greift zur Grillzange, Thomas und seine Jungs werfen ihre Badesachen über die Leine. Bernd nimmt mich in den Arm. »Mama, habe ich dir je gesagt, wie stolz ich auf dich bin?«
Ich sehe ihn lange an. Wir umarmen uns. Es duftet nach Holzkohle und Bratwürstchen. Die Sonne verschwindet hinter dem Tannenwald. Ich habe eine Familie und ein Zuhause.
Endlich bin ich frei.
Nachwort der Autorin
Die Geschichte der Gerti Bruns kam mir wie viele andere zugeflogen. Zuerst lag sie eine Weile in der Schachtel »Noch nicht gelesen« und rutschte dort immer tiefer, bis nur noch sie übrig war. Dann lag sie in der Schachtel »Unbedingt machen« ganz obenauf. Die Protagonistin Gerti Bruns hat mich durch ihre ehrliche Art und ihre unglaublich spannende Lebensgeschichte überzeugt. Die Härte ihrer Kindheit in aller Deutlichkeit zu schildern – gerade im Zeitalter verwöhnter und überfütterter Computerkids – war mir als Mutter ein Anliegen. Ihr Abenteuer in Afrika war für mich außergewöhnlich mitreißend. Am meisten jedoch hat mich ihr Kampfgeist beeindruckt, der von unerschütterlicher Mutterliebe und einem starken Verantwortungsgefühl geprägt ist. Gerti Bruns hatte kaum Chancen auf Bildung, deshalb hat sie in ihrem Leben oft nicht die richtigen Entscheidungen treffen können. Sie hat manchmal den falschen Menschen vertraut. Aber ihr Fleiß und ihre Hilfsbereitschaft empfinde ich als wohltuenden roten Faden durch ihr Leben. Insofern hat die Protagonistin eine Vorbildfunktion für meine geschätzten Leserinnen. Ich erhebe keinen Anspruch auf eine vollkommen korrekte Wiedergabe der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse jener Zeit. Meine Hintergrundinformationen stammen zum Teil aus dem Internet, da Gerti Bruns’ Manuskript wenig Fakten dazu enthielt. Es konzentriert sich auf ihre ureigensten Erfahrungen und Gefühle, die ich mit meiner Fantasie ausgeschmückt habe.
Alle Personen aus ihrem Umfeld habe ich entweder frei erfunden oder stark verändert.
Einzig und allein Bernd und natürlich
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