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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ganz zu meinem Kleid passte, hatte ich es sofort umgelegt.
    »Es ist so schön, dass ich dich hier getroffen habe, Gerti!«
    »Ja, ich freue mich auch, Jürgen. Du bist so ein guter Zuhörer.« Entspannt lehnte ich mich zurück und schaute zur Durchreiche hinüber. »Meinst du, ich könnte ausnahmsweise hier rauchen?«
    »Ist ja sonst keiner da.«
    »Und, stört es dich nicht beim Essen?«
    »Ich bekomme sowieso keinen Bissen mehr runter.« Jürgen griff nach meiner Hand, die ich ihm fast panisch entzog. Hastig suchte ich in meiner Handtasche nach Zigaretten. Verdammt, warum wollte das Feuerzeug denn nicht anspringen? Jürgen hielt mir die Kerze hin, und ich inhalierte den ersten Zug. Dann schob er mir einen Untersetzer als Aschenbecher hin und streifte dabei wie zufällig meine zitternde Hand.
    Durch hektisches Rauchen versuchte ich, meine Sehnsucht nach weiteren Berührungen zu verbergen. Das hier ging mir alles zu schnell! Ich wollte mich nie wieder binden! Zu teuer hatte ich mir meine Freiheit wiedererkauft! Jürgen schien das sofort zu spüren, und für einen Moment sagte von uns keiner ein Wort. Nur das Knistern der Kerzen und das dezente Klappern der Küchenmamsell hinter der Durchreiche waren zu hören.
    Spitzbübisch wie ein Schuljunge zog Jürgen plötzlich eine Piccoloflasche Sekt unter dem Tisch hervor. »Und das hier wird auch niemand mitkriegen!«
    Ich fühlte seinen Atem an meinem Ohrläppchen, als er sich zu mir beugte und mir Schaumwein einschenkte. »Auf dich, Gerti. Frohe Weihnachten. Auf dass nun alles besser wird!«

8
    Es war die erste Autofahrt meines Lebens! Drei Stunden durch die Dunkelheit. Die Samenhändlerin fuhr schweigend, ab und zu drehte sie am Knopf ihres Autoradios, aber in unserem abgelegenen Tal hatte es keinen Empfang. Nur ein menschenfernes Rauschen kam aus dem Empfänger. Ich war müde, aber gleichzeitig waren meine Nervenfasern gespannt wie ein Flitzebogen. Bald würde ich bei meiner neuen Familie sein! Matthias und Margit Schratt in Gönningen! Das hörte sich so freundlich an! Gönningen klang nach großzügigem Gönnen, nach heiteren Menschen, nach einer liebevollen Familie mit niedlichen Kindern.
    Es war bestimmt Mitternacht, als wir dort ankamen. Mein Blick glitt staunend über die Hausfassaden, hinter denen noch teilweise Licht brannte. Nette Vorgärten und niedrige Zäune grenzten die schmalen Häuser voneinander ab. Eine richtige kleine Stadt mit Lichtern und einem kleinen Park, kein gottvergessenes Tal am Rande eines Steinbruchs! Ich sah mich schon mit dem Kinderwagen einkaufen gehen und mit den Nachbarn plaudern.
    Die Samenhändlerin drückte beherzt auf die Klingel, und ich stand erwartungsvoll auf dem Kopfsteinpflaster.
    Matthias, der Neffe, erschien verschlafen in der Tür. »Tante Hermine?«
    »Ich hab euch jemanden mitgebracht.«
    Sie wies mit dem Kinn auf mich, die ich verlegen von einem Bein aufs andere trat. Eigentlich musste ich furchtbar dringend auf die Toilette. Aber ein Plumpsklo war hier weit und breit nicht zu sehen.
    »Die Kleine da? Was sollen wir denn mit der?« Matthias zog unwirsch seinen Bademantel enger. Der Atem stand ihm vor dem Gesicht. Es war eine kalte Nacht.
    »Die will euch im Haushalt helfen.«
    Von drinnen ertönten erst Kindergeschrei, dann schlurfende Schritte: Eine hochschwangere junge Frau im Nachthemd erschien mit einem Kleinkind auf dem Arm. Ihre Haare waren platt gedrückt, und das Kind hatte eine Rotznase.
    »Was ist los, Matthias?«
    »Die da.« Matthias zeigte auf mich. »Tante Hermine hat sie angeschleppt.«
    »Die ist ja selbst noch ein Kind! Und dürr ist die … Wie ein Stock!«
    »Die kann uns trotzdem helfen, Margit!«
    »Ja, dann kommt halt rein.« Widerwillig ließen sie uns eintreten. Im Schein der Flurlampe erspähte ich herumliegende Spielsachen, Schuhe, Jacken und die offen stehende Klotür. Oh. Das war ja ein richtiges Wasserklosett! Jetzt trat ich schon unruhiger von einem Bein aufs andere.
    »Die macht sich ja gleich in die Hose!«
    »Geh halt da rein! Aber zieh ordentlich ab!«
    Tja. Da stand ich nun in einem sogenannten WC , das gefliest und geheizt war. Über der Heizung hing eine Rolle mit Klopapier, das war so weich, dass ich es kaum zu benutzen wagte. Ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um an dieser Kette zu ziehen, und dann rauschte und gurgelte es, dass ich glaubte, ich hätte eine Wasserleitung zerstört. Erschrocken starrte ich in den Spiegel über dem Waschbecken. Ein verängstigtes kleines

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