Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Gesicht blickte mir daraus entgegen. Nun hatte ich zum ersten Mal im Leben ein richtiges WC benutzt. Mein Leben konnte beginnen!
Inzwischen hatten die drei sich miteinander besprochen, und ich hörte die junge Frau zischen: »Aber Geld geben wir ihr nicht!«
»Nein, dafür kann sie die Kammer unterm Dach haben!«
Es war ein winziger dunkler Verschlag mit schräger Dachluke, die man nur öffnen konnte, wenn man sich mit aller Wucht dagegenstemmte. Eiskalt, ohne Heizung, ohne Waschbecken, und mit einer schmalen Pritsche als Bett.
»Hier. Dein Zimmer.«
Die Frau warf mir noch eine Wolldecke hin, einen Fetzen als Handtuch und einen Waschlappen. »Morgen früh um sechs bist du in der Küche und hilfst mir beim Einheizen.«
»Ja. Natürlich. Danke.«
»Dann schlaf mal gut«, sagte Hermine, die einen besorgten Blick in die Dachkammer geworfen hatte. Sie strich mir fast entschuldigend mit dem Handrücken über die Wange. »Du wolltest ja unbedingt weg von zu Hause!«
»Ja«, sagte ich kleinlaut und ließ mich auf die Pritsche sinken. »Das wollte ich.«
Nun musste ich natürlich erfahren, was Fremde bedeutet, was meine Eltern damit gemeint hatten. Ich war von einer Hölle in die nächste geraten: Die Frau war boshaft und faul, ich musste schuften, das Haus putzen und die Wäsche für das Ehepaar und die beiden Babys mit der Hand waschen. Margit und Matthias liebten sich nicht, obwohl sie gerade das zweite Kind bekommen hatten. Zwischen ihnen gab es nichts als Vorwürfe, und Matthias junior schrie und heulte die ganze Zeit. Die jungen Eltern besaßen außerhalb der Stadt Felder, die bestellt werden mussten. In der angrenzenden Gärtnerei portionierten sie die Samen dann in kleine und die Steckzwiebeln in große Tüten. Tante Hermine fuhr mit diesen Produkten über Land, das Ehepaar blieb zu Hause, stritt sich und schob sich gegenseitig die Arbeit zu.
Für das Haus und die Kinder gab es ja jetzt mich.
Meine Aufgabe bestand darin, den gesamten Haushalt zu organisieren, für eine knapp Vierzehnjährige, die aussah wie zehn, eine fast unlösbare Aufgabe. Wenn ich es nicht schaffte, mitsamt den heulenden Kleinkindern rechtzeitig vom Einkaufen zurück zu sein, bekam ich zur Strafe nichts zu essen. Margit, die übellaunige und überforderte junge Mutter, stand am Fenster und stoppte die Zeit. Eine halbe Stunde gab sie mir täglich für den Bäcker, den Metzger, den Milchmann und den Tante-Emma-Laden, in dem ich Putzmittel und Sachen wie Klopapier, Schreibwaren und Wäscheklammern besorgen musste. Natürlich ließen mich die Leute in den Geschäften warten. Ich war ein unsichtbarer Niemand, ein fremdes Gör, das sie gefälligst nicht bei ihren täglichen Plaudereien zu stören hatte. Wenn ich an der Reihe war, war ich noch lange nicht an der Reihe.
So schaffte ich es selten, im zeitlichen Rahmen zu bleiben. Mit teuflischer Genugtuung ließ Margit beim Mittagessen meinen Teller leer. »Wir haben unsere Vereinbarungen. Wenn du sie nicht einhalten kannst, musst du dich demnächst eben etwas mehr beeilen. Fürs Bummeln und Herumtreiben habe ich dir kein Dach über dem Kopf gegeben.«
Ich fütterte den Kleinen, der im Hochstuhl saß, mit Möhrenbrei, doch er schlug ihn mir unwillig aus der Hand. Ich musste mich unglaublich beherrschen, seinen Plastiknapf nicht auszulecken, solange die Mutter dabei war. Doch anschließend räumte sie ihn mit höhnischem Gesicht ab, knallte das Geschirr in die Spüle und ließ kaltes Wasser darüberlaufen.
Matthi, der ständig heulende Zweijährige, wurde nach dem Mittagessen aufs Töpfchen gesetzt.
»Da bleibt er, bis er sein Geschäft gemacht hat«, herrschte Margit mich an. »Und du sorgst mir dafür, dass er nicht aufsteht. Wenn er fertig ist, legst du ihn zum Mittagsschlaf hin.«
Ich durfte sie natürlich nicht Margit nennen. Ich musste »Che fi n« zu ihr sagen.
Das stundenlange auf dem Töpfchen Hocken war für Matthi eine Tortur. Immer wenn er aufstehen wollte, musste ich ihn zurückdrücken. Er sollte unbedingt »sauber« werden. Ich saß auf dem Fußboden und beobachtete ihn. Er hatte einen Zwieback in den Händchen, damit er beschäftigt war. Was von dem angesabberten Zwieback auf die Badezimmerfliesen fiel, habe ich mir heimlich in den Mund gesteckt.
»Was tust du da? Du wagst es, meinem Sohn sein Essen wegzuessen? Du gierige Elster!«
Sie griff zum Besen an der Wand und schlug damit auf mich ein. »Hätte ich dich bloß nicht aufgenommen, du undankbares Biest!«
Der kleine
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