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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Matthi schrie vor Entsetzen und wollte mit runtergezogener Hose fliehen, als sie ihm in ihrer Wut auch noch den nackten Hintern versohlte.
    »Was ist denn hier los?« Vater Matthias steckte neugierig seinen Kopf zur Badezimmertür herein.
    »Du hältst dich da raus!« Peng, hatte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen.
    Der Vater hatte nichts zu melden. Kam er aus seiner Sämerei nach Hause, wurde er sofort angeschnauzt. In diesem Haus hatte die Che fi n die Hosen an.
    Manchmal fand ich beim Bettenmachen ein Tütchen mit einer komischen Flüssigkeit zwischen den Laken. Einmal habe ich versucht, es aufzublasen, weil ich es für ein nettes Spielzeug hielt. Die Che fi n hat mich dabei erwischt und mich an den Haaren gepackt. »Sag mal, tickst du noch ganz richtig, du kleine Schlampe?«
    Es hagelte Ohrfeigen in mein Gesicht, und ich wusste gar nicht, wie mir geschah.
    »Aber was habe ich denn getan? Ich dachte, das ist ein Luftballon!«
    »Du dämliche Kuh, du hast die Dinger zu entsorgen!«
    Ratlos rieb ich mir die schmerzende Wange. Warum? Was war da drin? Und warum spielten sie nachts damit? Ich hatte keine Ahnung.
    Doch zum Nachdenken kam ich nicht in dieser Familie, und erst recht nicht dazu, meinen Entschluss zu bereuen. Matthi, für den ich ganz allein zuständig war, brüllte schon wieder und streckte seine Ärmchen nach mir aus.
    »Hier wird nicht rumgeschmust, der Kleine kommt in den Laufstall, und da bleibt er sitzen, bis er wieder aufs Töpfchen muss! Du hilfst mir inzwischen beim Eintüten der Samen!«
    Obwohl beide Kinder zum Gotterbarmen brüllten, durfte ich sie nicht aufnehmen und trösten, sondern musste der gehässigen Margit mit den Steckzwiebeln helfen. Auch hier war ich ihr nicht schnell und nicht geschickt genug.
    »Du dumme Gans! Merkst du nicht, dass die hier in diese Tüten kommen? Hast du denn gar keine Augen im Kopf?«
    »Entschuldigung«, stammelte ich eingeschüchtert. »Ich gebe mir Mühe!« Mir war vor Hunger ganz schwarz vor Augen, und ich schluckte hastig die Tränen hinunter.
    Die bösartige Margit schickte sich zum Gehen und knallte ihre Schürze in die Ecke. »Und wehe, ich erwische dich dabei, wie du mit meinen Söhnen spielst! Die bleiben da, wo ich es angeordnet habe! Sonst setzt es Schläge mit dem Besen!«
    »Ja, Che fi n.«
    »Ich habe jetzt was zu besorgen.«
    »Ja, Che fi n.«
    »Du rührst dich nicht vom Fleck.«
    »Nein, Che fi n.«
    Die Che fi n eilte auf nagelneuen Stöckelschuhen ins Bad, hantierte dort mit Lippenstift und Puderdöschen, und als sie mit Mantel, Halstuch und Hut über den Steinpfad durchs Gartentor trippelte, konnte ich einen Hauch von Parfüm wahrnehmen. »Falls mein Mann nach Hause kommt: Ich bin bei einer Freundin.«
    »Ja, Che fi n.« Das Gebrüll der Babys war kaum auszuhalten, aber ich harrte artig jeden Nachmittag in der Kammer aus und tütete mit wunden Fingern Samen ein, während Margit bei »ihrer Freundin« war. Erst viel später fand ich heraus, dass es in Wirklichkeit ein Geliebter war. Und auch Matthias senior suchte längst woanders Liebe und Geborgenheit.
    Ich war der Puffer zwischen den beiden und jeden Tag mit den wimmernden Kindern allein. Ob sie die Hose voll hatten oder Hunger, ob sie froren oder ob ihnen zu heiß war: Es war mir bei Strafe verboten, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Sie sollten »richtige Männer« werden.
    Mir tat das so weh, dass ich viele Tränen vergossen habe, in der Waschküche oder auf dem Feld, wo ich stundenlang mithelfen musste, und natürlich nachts auf meiner Pritsche.
    Inzwischen war ich schon zwei Jahre bei der Familie Schratt in Gönningen, aber der schöne Name der Stadt hatte seine Versprechungen nicht gehalten.
    Man gönnte mir nichts, keinen Bissen Essen zu viel, keine freie Minute, und auch nichts zum Anziehen. Ich trug immer noch das zerschlissene Sommerkleidchen, Tag und Nacht, ein Nachthemd oder einen Schlafanzug gab es nicht. Ich wusch mein Kleid, so oft es nötig war, mit der Hand, hängte es zum Trocknen in meine kalte Dachkammer und zog es morgens klamm und feucht wieder an.
    Im Sommer warf mir die Che fi n einen alten Badeanzug hin: »Da! Den kannst du auf dem Feld anziehen. Dein Kleid starrt ja vor Dreck. So kann man dich nicht mehr unter die Leute lassen.«
    Die beiden Kleinen in ihrem Laufstall waren ebenfalls der prallen Sonne ausgesetzt, und ich kroch auf allen vieren mit verbrannten Schultern über die Ackerfurchen und durfte ihnen nicht helfen, wenn sie vor Hitze und

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