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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Anneliese vom Hotel Harmonie strahlten mich an. »Es soll auch Ihr finanzieller Schaden nicht sein, Gerti! Wie wäre es mit den Wochenenden, wenn Sie frei haben?«
    Ich fragte Tante Emmi. Und die sagte Nein.
    »Liebes, ich finde, es wird Zeit, dass du auch mal anfängst, dich zu amüsieren! Warum gehst du nicht aus zum Tanzen? In deinem Alter muss man auch einfach mal Spaß haben.«
    Sie stattete mich mit einem entzückenden Punktekleid aus, blaue Tupfen auf weißem Tüll, und obwohl ich mit der gerade aufkommenden Minimode liebäugelte, überzeugte mich Tante Emmi, dass man mit knisterndem Petticoat und weit fliegendem Rock viel schöner tanzen kann.
    Meine schwarzen glänzenden Haare waren inzwischen schulterlang, ich trug sie zu einem wippenden Pferdeschwanz gebunden. Mein Glück, mein neues Selbstwertgefühl – all das strahlte ich aus, wenn ich temperamentvoll das Tanzbein schwang. Mit meiner Freundin Ulrike, die im Hotel Harmonie als Zimmermädchen arbeitete, zog ich samstagabends und sonntagnachmittags durch die Tanzcafés. Das dürre, schüchterne Entlein war zu einem stolzen, schönen Schwan geworden! Ulrike und ich nippten an unserer Pfirsichbowle, begutachteten die Männerwelt, kicherten, puderten uns die Nase nach und warteten auf den Traumprinzen wie alle achtzehnjährigen Mädchen dieser Welt. Wenn sich ein Kavalier näherte, schlug mir das Herz immer bis zum Hals, und ich schaute hastig weg. Ich konnte ja gar nicht gemeint sein! Ich war doch ein hässliches Zigeunerkind aus dem Tal der Ausgestoßenen!
    »Hallo, Gerti! Möchtest du tanzen?«
    Ein Schreck durchfuhr mich. Das war ja Leo, der jüngere der beiden Wolf-Söhne! Der Ehrgeizige, der immer lernte! Was machte der denn hier? Hockte er nicht über seinen Rechnungswesen-Büchern? Heute Morgen hatte ich noch seine Unterhosen und Socken aufgehoben. Ich brachte es nicht fertig, ihm in die Augen zu sehen. Am liebsten wäre ich sofort aufgesprungen und hätte ihn auf die Tanzfläche gezerrt. Er war mir so vertraut wie ein Bruder. Aber als ich daran dachte, was Tante Emmi zu Frau Wolf gesagt hatte, bekam ich doch weiche Knie: »Hang zum Küchenpersonal.« Sofort fiel mir wieder die arme Sieglinde ein. Egal, was Männer von Frauen wollten: sie machten sie damit unglücklich.
    »Lieber nicht«, bemerkte ich halb schüchtern, halb kokett. »Mit seinem Arbeitgeber sollte man keine private Verbindung eingehen!« Ulrike gab ein wissendes Glucksen von sich.
    »Aber ich will doch nur tanzen!«
    »Dann tanz. Viel Spaß!« Ich versuchte selbstbewusst zu klingen, aber was herauskam, war ein verängstigtes Piepsen. Verlegen saugte ich an meiner Pfirsichbowle.
    Leo Wolf zog betreten ab in seine Ecke, wo er an einem Nierentisch saß und an seiner Cola nippte. Ich riskierte einen Blick. Jetzt erst fiel mir auf, wie gut er aussah! Schwarz gelockte Haare, ein markantes Kinn, wache Augen und ein Grübchen am Kinn. Das Hemd, das er trug, hatte ich heute Morgen noch gebügelt. Er sah fantastisch darin aus. Wieso stand er denn auf mich, das magere Küchenmädchen? Wollte er nur mit mir spielen?
    Nervös zupfte ich an meinem Rocksaum. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich ihn, während mir das Herz bis zum Hals schlug. Er musterte mich mit gerunzelten Brauen, als könne er sich keinen Reim auf mich machen. Zu Hause die brave Küchenmamsell mit Schürze und Besen und hier der flotte Tanzflächenfeger!
    »Den würd ich mir aber nicht entgehen lassen«, flüsterte Ulrike. »Der ist doch ein Knaller!«
    »Nimm du ihn!«, sagte ich leichthin. »Männer wollen immer nur Schweinerei.«
    Das war ein Zitat von meiner Mutter, und ich nahm an, dass es an dieser Stelle passte.
    Leo Wolf ließ mich nicht aus den Augen. Immer wenn ich mit einem anderen jungen Mann tanzte, wurde er rot vor Wut. Ich muss zugeben, dass ich es genoss. Es begann zwischen uns zu prickeln, und ich spürte, dass ich am längeren Hebel saß. Unglaublich, dass ich zum ersten Mal im Leben etwas in der Hand hatte! Er begehrte mich, und ich ließ ihn zappeln! Von nun an spürte ich jeden Tag dieses feine Kribbeln, wenn Leo Wolf sich an den Mittagstisch begab. Sein Blick hatte etwas Verletztes, gleichzeitig lag aufrichtige Bewunderung darin. Er hätte in Reutlingen sicherlich jede haben können, so erfolgreich und gut aussehend, wie er war. Eine Arzttochter, eine Kaufmannstochter, vielleicht sogar eine Studentin.
    Warum wollte er mich, die dünne Gerti ohne erwähnenswerte Schulbildung und ohne repräsentatives

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