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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ich habe meine ganze Wut an euch ausgelassen … « Heiße Tränen quollen unablässig aus ihren zuckenden Lidern. »Das tut mir so leid, Gerti, heute tut mir das so leid!«
    Ich legte ihr einen kalten Lappen auf die Stirn.
    »Du standest ja selbst ständig unter Druck«, half ich ihr. »Du bist ja von Vater genauso geschlagen worden, wenn irgendwas schiefgelaufen war!«
    »Ich war seine Sklavin, über Jahrzehnte, sonst nichts!«
    Ich presste die Lippen zusammen und empfand nur noch tiefes Mitleid.
    »Wenn ich sehe, was du für eine schöne Ehe führst.« Meine Mutter öffnete wieder die Augen. Ihr müder Blick glitt zu meinen Samtpantöffelchen und den Schminkutensilien, die ich vor dem beleuchteten Spiegel aufgereiht hatte. Föhn, Lockenwickler, Heißluftstab, Enthaarungscremes, Tiegelchen, Töpfchen, Wimpernzange, Parfum und Wattebäuschchen. Dahinter lag die Packung Kondome, die sie sehr wohl bemerkt hatte.
    »Ihr schlaft sogar noch miteinander … «
    »Na ja, hin und wieder.« Verlegen strich ich mir über die Stirn.
    »Mein Liebes, ich wünsche dir von Herzen ein erfülltes und glückliches Leben!« Meine Mutter weinte, sie konnte die Tränen gar nicht mehr stoppen. »Dein Mann soll dich immer auf Händen tragen!«
    »Das tut er, Mutter, sei ganz unbesorgt!«
    Ich drehte den grünen Drachen immer noch in den Händen hin und her. »Mutter, darf ich dich mal was fragen?«
    »Frag nur, mein Kind, heute ist die Stunde der Wahrheit.«
    Mutter legte sich den kalten Lappen über die Augen.
    »Warum hast du Vater nie verlassen?«
    »Das war doch unmöglich!« Ihre grauen Augen starrten mich entsetzt an. »Hast du die Tante vergessen, die bei uns im Kämmerchen gelebt hat und mit der ihr nie sprechen durftet? Die hatte sich von ihrem Mann getrennt. Danach war sie eine Ausgestoßene.«
    Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Das hatte ich nicht gewusst. Diese Schande war totgeschwiegen worden wie ein schweres Verbrechen. Wir hatten immer gedacht, sie hätte keinen abbekommen. Aber sie hatte einen gehabt? Und verlassen? Das war ja der blanke Übermut! Das war … wie einen Millionengewinn wegwerfen! Die Frau gehörte wirklich geächtet. Eine Frau verließ keinen Mann. Niemals. Unter keinen Umständen. Da konnte sie sich gleich den Strick nehmen.
    Meine Mutter hatte wirklich keine andere Wahl gehabt.
    Als Bernd in die Schule gekommen war und Thomas in den Kindergarten, wurden mir die Vormittage lang. Gleichzeitig schwächelten Walter und Ursula.
    »Ich wünschte, ich könnte zu Hause bleiben«, stöhnte Schwiegermutter Ursula und rieb sich das schmerzende Kreuz. »Das lange Stehen im Laden ist einfach nichts mehr für mich!«
    »Und ich habe einfach keine Lust mehr auf die Leute.« Walter verschanzte sich hinter seiner Zeitung. »Immer derselbe Small Talk, ich möchte einfach mal den ganzen Tag gar nichts sagen müssen.«
    »Ihr Lieben, warum tauschen wir nicht einfach die Rollen?« Ganz aufgeregt stand ich vor ihnen und umklammerte meinen Staubsauger, der so gar nicht mit mir sprach. »Wenn ihr wüsstet, wie gern ich wieder unter erwachsene Leute gehen würde! Ich kann mich doch in den Laden stellen!«
    »Ja, das wäre perfekt«, sagte Walter und klappte schwungvoll die Zeitung zusammen.
    »Du warst schon immer so fleißig und tüchtig!«, meinte Ursula begeistert. »Du wärst die ideale Nachfolgerin!«
    »Zumal der Laden dann in der Familie bleibt!«
    »Ob Leo wohl einverstanden ist?«
    Das war er natürlich nicht. Als wir ihm abends mit leuchtenden Augen von unseren Plänen erzählten, runzelte er unwillig die Stirn. »Meine Frau muss nicht arbeiten.«
    »Aber ich will, Leo! Hier fällt mir die Decke auf den Kopf!«
    »Habe ich nicht alles getan, damit du dich in unserem Haus wohlfühlst? Du hast es nicht nötig zu arbeiten!«
    »Darum geht es doch gar nicht, Leo!« Um ihn milde zu stimmen, reichte ich ihm ein besonders volles Whiskeyglas und lächelte so süß ich konnte. »Ich bin jetzt sieben Jahre auf allen vieren gekrochen, habe mit Autos und Baggern gespielt, Holzklötzchen aufeinandergestapelt und Schnittchen geschmiert. Bitte lass mich doch auch mal wieder unter die Leute! Ich bin noch zu jung, um in der Hausfrauenrolle zu versauern!«
    Leo nahm einen tiefen Schluck. »Und unsere Jungs?«
    »Sind vormittags in der Schule, und nachmittags kümmert sich Ursula um sie. Außerdem gehen sie sowieso zum Turnen, zum Schwimmen, zum Klavierunterricht und zum Fußball.« Eifrig gestikulierend stand ich vor ihm.

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