Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
… Trockene Handtücher, Duftseife, Kerzen, Musik aus dem Radio … « Das war einfach zu viel für sie. Unser Bad erinnerte sie an die Kirche in Glatten, denn das war der einzige Ort in unserem Dorf, an dem weder an Licht noch an Musik und Duft gespart worden war.
Die Badetiere und Quietschenten meiner Kinder ließ ich dezent in einem Korb verschwinden, ebenso die Kondome, die auf der Waschmaschine lagen.
Leo wollte leider immer noch nicht ganz auf die ehelichen Pflichten verzichten, auch wenn er sie immer seltener einforderte. Da ich die Pille nicht vertrug – ich bekam eine tiefe Stimme und einen Bart davon –, mussten wir auf diese unschöne Variante ausweichen. Doch Leo forderte immer seltener sein wöchentliches »Nümmerchen« ein, und mir fehlte es überhaupt nicht. Wahrscheinlich hatte Leo sich längst anderweitig orientiert, aber das interessierte mich nicht. Alles sollte so bleiben, wie es war.
»Mutter, soll ich rausgehen?«
Nie hatte ich meine Mutter nackt gesehen! Früher in Glatten wurde samstags eine Zinkbadewanne in die Küche gestellt und zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Zwei Kessel kochendes schüttete meine Mutter ganz am Schluss zum kalten, dann war das Wasser gerade mal lauwarm. Für uns ausgemergelte Kinder war das wenig verlockend, besonders im Winter. Dann wurde zuerst ich, die kleine Gerti, darin abgeschrubbt, anschließend Sieglinde, meine Schwester. Danach hieß es, frische Unterwäsche anziehen und ab in die Kammer. Denn nun schlossen sich die Eltern in der Küche ein und verrichteten ihre Reinigungsrituale, von denen ich keine Ahnung hatte. Ich wusste nur, dass meine Mutter starke Mieder tragen musste, weil ihre Bauchdecke ausgeleiert war wie ein alter Luftballon.
»Mutter? Möchtest du lieber allein sein?«
»Nein, Kind, bleib nur. Allein fürchte ich mich. Ich bin dem allem hier … nicht gewachsen!«
Vorsichtig half ich meiner Mutter beim Ausziehen. »Wir können deine Sachen schnell in die Waschmaschine werfen, dann sind sie morgen wieder trocken!«
Auch das wollte meiner Mutter nicht in den Kopf: dass man Wäsche nicht mühevoll im Waschhaus mit der Hand waschen musste!
»Nein, nein, Kind, die habe ich letzte Woche erst eigenhändig gewaschen! Die hält noch ein paar Wochen!«
Als der alte geschundene Körper meiner Mutter unter Ächzen und Stöhnen in die Wanne glitt, musste ich doch den Kopf abwenden, weil mir die Tränen kamen. Jede Bewegung war eine Tortur für sie, und das schon seit Jahren. Sie litt unter starkem Rheuma und Gicht. Schließlich saß sie bis zum Kinn im Pfirsichschaum.
»Kind, mein Kind, was freue ich mich mit dir!«
Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Ihr schlohweißes Haar fiel ihr in dünnen Strähnen auf die knochigen Schultern. Ihre Brüste waren ausgeleiert, ihre mageren, mit braunen Flecken übersäten Hände strichen sanft über die Schaumbläschen, die sirrend zerplatzten.
»Das wäre ein schöner Tod, Kind, davon hätte ich nie zu träumen gewagt!«
»Aber Mutter, du bist doch erst achtundsechzig … «
»Ich fühle mich aber wie achtzig«, seufzte die Mutter und strich sich die Schweißtropfen von der Stirn. »Nach so einem Leben voller Mühsal wäre der Tod eine Erlösung!«
»Aber wie kannst du so reden!« Ich saß auf dem frotteebezogenen Höckerchen, auf dem ich immer unsere Söhne trocken rubbelte, und drehte verlegen einen grünen Drachen, Thomas’ Lieblingsbadetier, in den Händen.
»Ach, Kind, ich habe im Leben alles falsch gemacht … «
Nun flossen nicht nur Schweiß und Badewasser, sondern auch Tränen.
»Du hattest eben andere Bedingungen«, versuchte ich sie zu trösten.
»Aber ich hätte Sieglinde und dich doch nicht so fürchterlich schlagen müssen!«
Nun kam die Reue über meine Mutter. Sie schluchzte haltlos. Ihr Körper entspannte sich, und ihre Seele auch. Mich überkam eine seltsame Mischung aus Kälte und Mitleid.
»Du hast uns schon fürchterlich verdroschen … « Wenn ich daran dachte, aus welch nichtigen Gründen sie uns grün und blau geschlagen hatte! Wir waren doch noch Kinder gewesen, verspielte, naive Kinder!
»Wenn ich jetzt mit ansehe, Gerti, wie liebevoll du mit deinen Kindern umgehst, wie du sie verwöhnst, begreife ich zum ersten Mal, dass es auch anders geht mit der Erziehung.« Meine Mutter schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. »Ich wusste mir damals einfach keinen anderen Rat, als euch zu meinen Helferinnen zu dressieren. Was anderes wart ihr ja nicht, und
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