Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
ohne mich!
»Der Krawitzke hat mich heute angerufen und gemeint, ich bin sein Mann: ›Kohle-Wolf‹, hat er in den Hörer gebrüllt, ›du musst so schnell wie möglich in Reutlingen alles verkaufen und mit der gesamten Kohle nach Windhoek fliegen. So viel Land kannst du gar nicht kaufen, wie die hier zum Spottpreis anbieten! Da kannst du ganz groß einsteigen in meine Bauunternehmungen und noch viel mehr Kohle machen. Ein Paradies für Spekulanten! In ein paar Jahren kannst du dich zur Ruhe setzen.‹«
»Aha«, machte ich wieder. Das ging mir alles ein bisschen schnell. Der Gedanke, dass Leo sich in ein paar Jahren zur Ruhe setzen könnte, gefiel mir auch nicht besonders. Dann sollte er lieber nach Südwestafrika gehen und seine Kohle in Bauunternehmungen stecken. Das war mir nur recht.
»Tja, mein Kleines.« Zufrieden erhob sich Leo aus seinem Sessel und streckte die müden Glieder. »In meinem neuen Wirkungskreis wartet sehr viel Arbeit auf mich. Ich habe keine Zeit zu verlieren.«
»Nein.«
»Du hast also nichts dagegen, wenn ich fürs Erste allein runterfliege?«
»Nein, überhaupt nicht«, sagte ich schnell. Mein erster Gedanke war, dass ich das Fernsehprogramm von nun an allein bestimmen konnte. Und dass ich kein wöchentliches Nümmerchen mehr über mich ergehen lassen musste. Dass ich die Kinder, das Haus, das Auto und die Schwiegereltern endgültig für mich alleine hatte.
Sogar auf seinem Chefledersessel würde ich mich aalen können.
Kurz gesagt, es machte mir nicht das Geringste aus.
Geradezu fluchtartig brach Leo seine Zelte in Reutlingen ab. Es wurden hektische drei Monate, in denen es viel zu regeln gab. Er war fast ununterbrochen am Telefon und brüllte schwitzend Anweisungen. Zum Abschied nahm mich Leo mit nach München. Zu einem romantischen Abschiedsessen, wie er mir sagte, und vorher noch kurz zu einem Notar, weil er ein paar Unterschriften von mir brauche.
»Es geht um unsere gemeinsamen Besitztümer«, erklärte mir Leo auf der Hinfahrt, während er mit zweihundert Sachen auf der linken Spur dahinraste.
»Auf dem Papier gehört das ganze Geld natürlich uns beiden. Der Notar braucht bloß deine Unterschrift, dass ich die Kohle in Südwestafrika investiere. Da du nichts von Spekulationen verstehst, stell einfach keine Fragen!«
»Alles?«, fragte ich dennoch ängstlich.
»Nein, natürlich nicht! Dummerchen!« Leo schlug mit seiner Pranke, die längst eine goldene Rolex zierte, auf die Hupe und verscheuchte seinen Vordermann, der mit unglaublichen hundertfünfzig Stundenkilometern auf der linken Spur dahinschlich. »Mann, der hat auch nichts mehr vor heute!«
»Ich meine, unser Haus in Reutlingen ist doch nicht davon betroffen?«
»Glaubst du, ich ziehe dir und den Kindern die Villa unterm Hintern weg?« Leo lachte mich lauthals aus.
»Deine Eltern haben lebenslanges Wohnrecht«, erinnerte ich ihn. »Sie haben uns damals zweihunderttausend Mark gegeben. Damit darfst du nicht spekulieren!«
»Als wenn ich das nicht wüsste, Kleines! Vertrau mal deinem alten Kohle-Wolf!«
Tja. Hatte ich denn eine andere Wahl? Ich selbst hätte die »Kohle« vermutlich in mein Kopfkissen eingenäht, und dort hätte sie sich – anders als Kopfläuse, wie ich mich leise schaudernd erinnerte – mit Sicherheit nicht vermehrt. Wenn mein Leo von etwas Ahnung hatte, dann von Geld. Bestimmt wusste er, was er tat.
In meinem orangebraunen Lederkostüm eilte ich mit klappernden Schritten durch die Münchner Innenstadt zum Notar, der schon alles vorbereitet hatte, und setzte unter gefühlte zwanzig Blätter mit Kleingedrucktem meine Unterschrift. Vorher musste der Notar mir das jedoch alles vorlesen, was er mit monotoner Stimme und in rasendem Tempo tat. Er und Leo schienen es kaum abwarten zu können, bis ich in meiner ungelenken Kinderschrift unterzeichnet hatte. Sie konnten ja nicht ahnen, dass ich mit Bernd und Thomas quasi ein zweites Mal schreiben gelernt und mich an der akkuraten Schulschrift ihrer Lehrerin orientiert hatte, die ich sehr schön fand.
Ich hatte keine Vorstellung von dem, was ich da unterschrieben hatte, als Leo mich erleichtert in den Bayrischen Hof zum Essen ausführte.
Auf der dortigen Dachterrasse überreichte er mir zu meinem großen Entzücken eine kleine, diamantenbesetzte Damenrolex.
»Damit du immer an mich denkst, wenn du Lotto-Scheine verkaufst!«, sagte Leo grinsend. »Du wirst sehen, das große Los kommt auch noch zu uns.«
»Aber Leo, wir sind doch schon
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