Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
kleine Entenkinder fuhren sie hinter ihrem Skilehrer her, während Leo und ich in unserer exklusiven Suite im Zürser Hof ausschliefen, die schöne Landschaft bewunderten und auch mal wieder die Ehe vollzogen. Anschließend machten wir ebenfalls die Pisten unsicher und mischten uns beim Après-Ski unter die Reichen und Schönen. Selbst hier in den Skihütten machte Leo schon wieder Geschäfte. Sein selbstbewusstes Lachen übertönte sämtliches Stimmengewirr, ja selbst die lauteste Musik.
Ich selbst musterte neugierig die Damenwelt. Keine der anderen Gattinnen machte in ihrem daunengefütterten Anzug eine so gute Figur wie ich.
Silvester ging es hoch her: Die Kinder genossen eine eigene Party einschließlich Spaghettiessen, während wir Erwachsene stilvoll im edel vertäfelten Restaurant des Luxus-Hotels aßen und ins neue Jahr hineintanzten. Leo und ich galten als das perfekte Paar, als Tänzer waren wir unschlagbar. Mir machte es einen Riesenspaß, im Mittelpunkt zu stehen, neben meinem selbstbewussten Mann, der in seinem Smoking wirklich blendend aussah. Wie schade, dass meine Mutter mich jetzt nicht sehen konnte. Hier stand ich nun als umschwärmte Frau des erfolgreichen Unternehmers Leo Wolf, in Zobel und Nerz und strahlte über das ganze Gesicht. In Zürs, Lech, St. Anton und drüben in St. Christoph schossen die bunten Raketen in den Sternenhimmel. Als die Glocken zu uns heraufläuteten und wir mit Champagner anstießen, schickte ich ein heimliches Dankgebet zum lieben Gott. Und hoffte inständig, dass wir immer so glücklich bleiben würden.
13
»Frau Wolf? Sie haben einen Fürsprecher hier in der Klinik!«
Professor Lenz lief mit wehendem Kittel um seinen Schreibtisch herum und lächelte mich an. »Obwohl Sie noch immer keine fünfzig Kilo erreicht haben, werde ich heute an Silvester mal ein Auge zudrücken.«
»Was heißt das?« Mit pochendem Herzen kletterte ich von der Waage, die gerade mal achtundvierzig Kilo anzeigte.
»Na ja, ein gewisser Mitpatient möchte unbedingt mit Ihnen ins neue Jahr hineintanzen. Er hat mich so stürmisch darum gebeten, dass er Sie ins Dorf ausführen darf … Jetzt schaue ich mir Ihre Werte noch mal an.«
Der Professor bedeutete mir, mich zu setzen. Er warf einen Blick in meine Patientenakte und spielte mit seinem Kugelschreiber.
»Sie haben zugenommen, machen einen stabilen Eindruck, und ich habe das Gefühl, Sie würden auch ganz gern mal diesen Mauern entfliehen?«
»Ja, Herr Professor«, stammelte ich. »Ich würde furchtbar gern mit Herrn Bruns tanzen gehen…«
»Aber um eins sind Sie beide wieder da!« Mit gespielter Strenge musterte mich der Professor über seine Brillengläser hinweg. »Wer von Ihnen beiden die Verantwortung übernimmt, ist mir egal. Sagen wir, der Ältere!«
»Ich glaube, Herr Bruns ist älter … «
»Ja, und er macht mir auch einen sehr zuverlässigen Eindruck.« Der Professor tätschelte meine Hand. »Nun entspannen Sie sich mal, Frau Wolf! Er will Ihnen bestimmt nichts Böses.«
»Nein, ich weiß, ich mag ihn auch sehr, aber … « Verlegen senkte ich den Kopf. »Ich freue mich so sehr aufs Tanzen, andererseits weiß ich nicht, inwieweit ich mich auf ihn einlassen soll…«
»Sie haben Angst, erneut die Kontrolle über Ihr Leben zu verlieren, stimmt’s?« Der Professor sah mich verständnisvoll an. »Nach allem, was Sie durchgemacht haben … « Natürlich kannte er meine dramatische Lebensgeschichte.
»Na ja, ich stehe ganz gut auf meinen eigenen Beinen … «
»Das sollen Sie ja auch weiterhin tun, Frau Wolf. Aber jetzt tanzen Sie erst mal mit Herrn Bruns ins neue Jahr. Meinen Segen haben Sie.«
Der Professor tätschelte mir zum Abschied die Wange. »Das Leben ist noch nicht vorbei, Frau Wolf. Auch wenn es für viele Patienten dieser Klinik so aussieht. Sie sind alle traumatisiert, komplett ausgebrannt und ohne Hoffnung. Aber die wollen wir ihnen ja hier geben. Und dazu gehört Lebensfreude. Und auch ein kleiner Flirt. Also, gehen Sie tanzen. Vielleicht fängt für Sie ja hier ein ganz neues Kapitel an!«
Ich schlüpfte aus dem Sprechzimmer und eilte selig auf mein Zimmer. Ich würde mit Jürgen Bruns ins neue Jahr tanzen! Der Professor hatte es erlaubt! O Gott!, schoss es mir durch den Kopf. Was ziehe ich an? Was soll ich bloß anziehen?
Zaghaft klopfte ich an Jürgens Tür.
»Ich darf!«
»Das weiß ich schon!«
»Von wegen!« Spielerisch trommelte ich mit der Faust auf seine Brust. »Glaub ja nicht, du hättest mich
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