Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Bielefeld oder Karlsruhe sein können.
Seit Mitte der Fünfzigerjahre betrieben die hiergebliebenen zwanzigtausend Deutschen zahlreiche Großprojekte wie Straßen- und Häuserbau, an denen Leo maßgeblich beteiligt war. Es entstanden gerade mehrere neue öffentliche Gebäude, und Leo errichtete ein modernes Einkaufszentrum. Überall standen riesige Baukräne neben einem unverputzten Gebäudekomplex.
»Alles streng nach dem Gesetz der Rassentrennung!« Leo wies mich auf verschiedene Eingänge hin. Als wir an einem Krankenhaus vorbeikamen, sah ich vor einem eher schäbigen Hintereingang eine Schlange wartender Schwarzer, während durch den von Säulen flankierten Haupteingang gut gekleidete Weiße flanierten. Sofort fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt: Ich hatte nur an Hintereingängen Schlange gestanden, während die Bessergestellten durch die Haupteingänge gewinkt worden waren. Und heute war es umgekehrt!
»Schau, Gerti!« Leo nahm meine Hand.
»Windhoek Ludwigsdorf«, stand da auf einem Straßenschild, und ich musste laut lachen! Warum stand da nicht gleich »Ludwigsburg«?
»Windhoek Luxushügel«. Villen hinter riesigen, mit Stacheldraht und Alarmanlagen gesicherten Mauern. Darauf nahm der schwarze Fahrer jetzt Kurs.
»Schau, in diesem Kasten habe ich Ausstellungsräume gemietet!« Leo wies mich auf ein weißes Luxushotel hin, vor dem sich Palmen im Wind wiegten, während schwarze Dienstboten die Wege harkten und den Weißen die Eingangstür aufhielten.
»Es gibt hier noch überhaupt keine vernünftigen Modegeschäfte«, klärte mich Leo auf. Er fächelte sich mit dem Strohhut Luft zu. »Die Weißen haben keine Lust auf die billigen Fetzen, die die Einheimischen hier tragen. Die sind ganz scharf auf mitteleuropäische Mode! Ich importiere die Edel-Klamotten aus Italien, Deutschland und Skandinavien: feines Leinen, Seide, natürlich auch vernünftig verarbeitete Baumwolle, das wirst du alles noch sehen. Schuhe, alles aus feinstem italienischen Leder. Wir veranstalten jeden Samstag im Kalahari Sands Hotel eine Modenschau mit südafrikanischen Topmodels … «
»Sind die schwarz?«
»Dummchen! Weiß natürlich! Die Hälfte der Südafrikaner ist weiß! Nein, Gerti, hier gibt es zwei Klassen von Menschen, ob du es glaubst oder nicht.«
Spätestens als wir in Leos Luxusvilla angekommen waren, glaubte ich es. Verwirrt stieg ich aus der Limousine und rieb mir ungläubig die Augen. Die Hitze erschlug mich fast. Mein Reisekostüm klebte mir am Körper, als hätte ich darin gebadet.
Mein Mann besaß ein altes mächtiges Herrenhaus aus der Kolonialzeit mit vielen hohen Räumen, Türmen und Erkern. Waren es Fledermäuse oder schwarze Krähen, die bei den Dachluken ein und aus flogen?
Heute würde ich sagen, man hätte gut »Harry Potter« darin drehen können. Es war zum Gruseln: verwinkelt und düster, außerdem roch es modrig und feucht. Der große Garten war völlig verwildert, ich wähnte schon Schlangen, Skorpione und ähnliches Getier darin. Eine wilde Katze schlich durchs vertrocknete, ungepflegte Gras. Weiter hinten moderten alte Parkbänke vor einem ausgetrockneten Brunnen vor sich hin, den ein steinerner Neptun zierte. Dem Neptun fehlte die Nase und weiter unten ein ganz entscheidendes Detail.
»Hier kriegst du mich im Leben nicht rein.« Eingeschüchtert stand ich auf der mit Moos bewachsenen Terrasse, während ein dienstfertiger Schwarzer einen weißen Sonnenschirm über mich hielt.
»Gerti, das ist für mich überhaupt kein Problem!« Leo verscheuchte den Schwarzen mit einer herrischen Handbewegung. »Du kannst dir das modernste Haus von ganz Windhoek aussuchen, wenn du versprichst, mit Kind und Kegel herzukommen!«
Nervös griff ich zur Zigarette.
»Jasper, wir zeigen der Missis das neue Anwesen in der Hochland Park Street!«
»Das von Missis Marion?«
»Stell hier keine blöden Fragen!«
Jasper zuckte die Achseln und stellte keine blöden Fragen. Er führte Befehle aus.
Kurz darauf stand ich vor einem entzückenden Bungalow, der zum Garten hin fast komplett verglast war. Durch riesige Schiebetüren gelangte man zu einem ovalen Swimmingpool. Liebevoll angelegte Beete und gepflegte Sträucher zeugten davon, dass hier jemand mit einem grünen Daumen lebte. Auf der überdachten Terrasse stand ein Gartentisch, umrahmt von Korbsesseln mit bunten Kissen. Im Haus war alles deutsch und gemütlich eingerichtet; modern und sauber, mit spiegelblanker Einbauküche, behaglichen Möbeln,
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